„Wildwuchs“ statt Schurrasen
(31.05.2021) Neben Baumpatenschaften und Bewässerungspatenschaften für junge Straßenbäume besteht in der Stadt Hohen Neuendorf nun auch die Möglichkeit einer Grünpflegepatenschaft. „Hier geht es um das Straßenbegleitgrün oder andere kommunale Grünflächen in der Nähe der eigenen Wohnung“, erläutert Hohen Neuendorfs Klimaschutzmanagerin Heiderose Ernst. Um die Verkehrssicherheit nicht zu beeinträchtigen, dürfen die Pflanzen jedoch nicht zu hoch wachsen: Blühpflanzen und niedrige Stauden sind erlaubt, Bäume, tiefwurzelnde Pflanzen, Gehölze oder Hecken hingegen nicht. Deswegen sind auch Umzäunungen, Poller, Aufbauten oder Steine nicht gestattet.
Heimische Pflanzen als Grundstein der Nahrungskette
Wie vielfältig die Gestaltungsmöglichkeiten trotz dieser Einschränkungen sind, beweist Dr. Oliver Schub. Der 52-jährige Diplom-Chemiker ist Hohen Neuendorfs erster offizieller Grünpate. Mit 100 Quadratmetern ist das Straßenbegleitgrün vor seinem Haus in der Waldstraße überdurchschnittlich groß. Mehr als 50 Arten heimischer Blumen (Gräser nicht mitgezählt) sind hier zu finden, ein Paradies für viele Insekten.
„Alle reden zwar von Biodiversität, aber nur ganz wenige tragen aktiv dazu bei“, bedauert der gebürtige Bayer, der seit 2004 in Hohen Neuendorf lebt. Dabei bildet eine vielfältige, blühende Pflanzenwelt die Grundlage der Nahrungskette über Insekten, Amphibien, Vögel und Säugetiere, bis hin zum Menschen. „Wir hätten soviel Potenzial mit unseren Gärten. Statt dessen prägen öder Schurrasen, fantasielose, überall gleiche Forsythien, Kirschlorbeer und Thujahecken das grüne private Stadtbild. Doch diese sind völlig wertlos für Insekten, weil nicht heimisch“, so Schub. Selbst Löwenzahn auf dem Grünstreifen vorm Haus, der mit die erste lebenswichtige Nahrung für Insekten im Frühjahr bietet, würde mitten in der Blüte radikal abgemäht, beobachtet er regelmäßig. Die Antwort auf seine Frage nach dem Warum: „Sonst beschweren sich doch die Nachbarn oder die Gemeinde, weil es unordentlich aussieht“.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Doch was für viele große Stadtbewohner lediglich „ungepflegter Wildwuchs“ ist, ist für die kleinsten Lebewesen wesentliche Existenzgrundlage. „Wichtig sind auch Blüten übers ganze Jahr, von Krokussen im Februar bis Herbstastern im November, damit das 'tierische Buffet' ganzjährig geöffnet ist", erläutert Schub, der auch Mitglied im Naturgarten e.V. ist. "So legt zum Beispiel der Zitronenfalter seine Eier nur am Faulbaum und am Kreuzdorn ab. Jede heimische Pflanze hat mehrere Insekten bzw. Tierarten die von ihr abhängig sind: Blätter, Pollen oder Nektar als Nahrung, hohle Stängel zum Überwintern, Orte zur Fortpflanzung, alles was es halt braucht zum Leben“, so der Naturgärtner.
Fehlen immer mehr heimische Pflanzen, sterben in der Folge auch heimische Insekten/Tierarten aus. Die Vielfalt, Biodiversität, bei Pflanzen und bei Tieren, besonders bei Insekten, ist die entscheidende Grundlage für stabile Ökosysteme. Diese Ökosysteme sind in Jahrzehnten landwirtschaftlicher Monokultur, durch den Einsatz von Insektengiften und "Unkraut-"-Vernichtungsmitteln sowie angesichts des Klimawandels bereits heute über ihrer Belastungsgrenze. „Wenn die Insektenwelt kippt, dann mit ihr unserer Nahrungsgrundlage“, wirbt der zweifache Familienvater Schub um Nachahmer für das Projekt Grünpatenschaften.
"Ein Problem ist dabei allerdings die Beschaffung entsprechender heimischer Pflanzen bzw. regionales Saatgut, denn sowas gibt es in der Regel nicht im Baumarkt oder im Discounter", erläutert Schub. "Als Erstes hilft schon mal nicht mähen, da erscheinen dann Blüten, die man noch nie vorm Haus gesehen hat. Und Geduld! Es geht nicht über Nacht." Seine Empfehlung: Ein Blick auf die Webseite von Naturgarten e.V.
„Als Stadt unterstützen wir die blühenden Straßenränder nun offiziell“, ergänzt Klimaschutzmanagerin Ernst den Appell und hofft, dass sich möglichst viele Nachahmer für die riesigen Flächen in der Gemeinde finden. Als Anregung für die Nachbarn und als Information für den Bauhof, hier nicht zu mähen, weist zukünftig ein stabiles Patenschaftsschild die betroffene Fläche als „naturnah bewirtschaftet“ aus.
„Im Übrigen gilt es in Hohen Neuendorf seit Kurzem als Ordnungswidrigkeit, auf einer Grünfläche zu parken“, so Ernst. Auch dies ist eine Maßnahme gegen Bodenverdichtung und für mehr Klimaschutz in der Stadt.
Grünpatenvertrag zum Download auf Internetseite
Wer ebenfalls Grünpate werden möchte, kann hier den Patenschaftsvertrag herunterladen, ausfüllen und an die Hohen Neuendorfer Klimaschutzbeauftragte per Mail an gruenpaten@hohen-neuendorf.de schicken. Informationen zu weiteren Patenschaften sowie eine Übersicht über heimische, standortgerechte Pflanzen (PDF unten) finden Sie ebenso auf der Internetseite.