Stolpersteine erinnern an ermordete Frauen
(11.10.2022) Drei weitere Stolpersteine konnten am 10. Oktober in Hohen Neuendorf dank des Engagements der Mitglieder vom Geschichtskreis im Kulturkreis verlegt werden. Auch Projektinitiator Gunter Demnig war vor Ort, und trug sich anschließend ins Ehrenbuch der Stadt ein.
Stolpersteine für die Schwestern Selma Pinkus und Helene Wilke
Die beiden neu verlegten Stolpersteine vor dem Haus in der Stolper Straße 11 (früher Nr. 12) erinnern an die Schwestern Selma Pinkus und Helene Wilke (geb. Pinkus). Geboren in Greifenberg/Pommern lebten sie im Jahr 1939 hier in Hohen Neuendorf, wie Petra Schmidt vom Geschichtskreis aus den Recherchen rekonstruierte. Aufgrund eines neuen Gesetzes vom 30. April 1939, welches Mietverhältnisse mit Menschen jüdischer Herkunft regelte, mussten sie ihre Wohnung aufgeben. Beide wurden ins „Jüdische Arbeitsheim Radinkendorf“ bei Beeskow zwangseingewiesen.
Im Jahr 1941 trennten sich ihre Wege: Am 17. November 1941 wurde Selma Pinkus mit dem 6. Osttransport von Berlin in ein jüdisches Ghetto in der litauischen Stadt Kaunas deportiert, wo sie eine Woche später im Alter von 71 Jahren unter Leitung des SS-Standartenführers Karl Jäger erschossen wurde. Helene Wilke wiederum wurde am 3. Oktober 1942 von Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort am 17. November 1942, drei Tage nach ihrem 78. Geburtstag, ermordet.
Stolperstein für Klara Loew
Nur wenige Meter weiter lebte in der Stolper Straße 35 (heute Nummer 31) die 1870 in Berlin geborene, alleinstehende und kinderlose Klara Loew bei ihrer Schwester Friederike und deren Mann Karl Adler. Klara zog Anfang der 1930er Jahre aus Berlin zu ihrer jüngeren Schwester nach Hohen Neuendorf. Das Haus gehörte Friederike, der als „Volljüdin“ der Besitz ab April 1938 untersagt war. Sie konnte es ihrem nicht-jüdischen Ehemann Karl Adler überschreiben.
Für Klara Loew machte dies keinen Unterschied, auch sie wurde ins Altersarbeitsheim Radinkendorf zwangseingewiesen. Wie Helene Wilke deportierten die Nazis sie am 3. Oktober 1942 mit einem Sammeltransport nach Theresienstadt, wo sie am 30. Oktober 1942 im Alter von 72 Jahren ermordet wurde. Schwester Friederike überlebte den Krieg mit der Hilfe ihres Ehemanns.
13 Stolpersteine im Stadtgebiet erinnern an lokale Opfer
Rund zwei Dutzend Geschichtsinteressierte nahmen an der Verlegung der Gedenksteine und den Ausführungen zum Schicksal der drei Frauen Anteil. Musikalisch umrahmt vom Posaunenchor der Ev. Kirchengemeinden Hohen Neuendorf-Stolpe und Bergfelde-Schönfließ unter Leitung von Kantor Chrisian Ohly war es erneut Gunter Demnig, der die Steine fachmännisch im Boden einbrachte. Demnig initiierte das Projekt „Stolpersteine“ vor knapp 30 Jahren in Köln. Seitdem wurden in 29 europäischen Ländern über 90.000 dieser Steine verlegt.
In Hohen Neuendorf sind es die Mitglieder des Geschichtskreises um Petra Schmidt und Dr. Dietrich Raetzer, die das Projekt 2009 aufgegriffen. Insgesamt 13 Stolpersteine erinnern nunmehr im Stadtgebiet vor den letzten frei gewählten Wohn- bzw. Aufenthaltsorten an die lokalen Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft. „Es gibt noch weit über 100 Personen, zu denen wir derzeit recherchieren“, machte Schmidt deutlich, dass das Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist.
Bürgermeister Steffen Apelt dankte allen Projektbeteiligten und mahnte angesichts der aktuellen Weltlage: „Es ist wichtiger denn je zu erinnern!“
Eintrag für Projektinitiator Demnig im Ehrenbuch der Stadt
Nach der Veranstaltung trug sich Demnig im Rathaus in das Ehrenbuch der Stadt ein. Der Eintrag würdigt das unermüdliche Wirken des 74-jährigen Künstlers und studierten Kunstpädagogen. 95 Prozent aller Stolpersteine habe er selbst verlegt, schätzte er auf Nachfrage. Wöchentlich ist er in Deutschland und Europa unterwegs für sein Lebenswerk, für das er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 2005 das Bundesverdienstkreuz erhielt. Die Stolpersteine gelten als größtes dezentrales Mahnmal der Welt.