Klangtolles Hohen Neuendorf
(27. Mai 2019) Ein Klangfestival in tollem Ambiente erlebte Hohen Neuendorf am letzten Maiwochenende im Park am Wasserturm. Es zog an zwei Tagen rund 1.700 Besucher an den romantischen Ort. Es erwartete sie ein Potpourri musikalischer und kulinarischer Leckerbissen auf der und rund um die Festivalbühne.
Ray Wilson und Band (Ex Genesis) zieht über 1.000 Besucher an
Als Besuchermagnet erwies sich der Ex-Gensis-Sänger Ray Wilson, der sich im Endspiel gegen das zeitgleich übertragene Pokalfinale durchsetzte und die Hohen Neuendorfer vom Sofa hoch auf die Festwiese zog. Begeistert tanzende Besucher jubelten dem aktuell in Polen lebenden Schotten zu, während sie auf keinen der großen Genesis-Hits verzichten mussten. Sie rockten oder kuschelten je nach Titel mit, ließen sich von der Lichtshow verzaubern und reckten bei Balladen auch gerne mal das Feuerzeug in die Höhe. Der Höhepunkt war auch gleichzeitig der Abschluss des Musikfestivals.
Poetry Slam
Los ging es am Freitagabend mit Poetry Slam junger Wortakrobaten und Satiriker, vielen bekannt von der beliebten Show „Jedes Wort zählt“, unterhaltsam präsentiert von Lucas Schemenz. Der wortwendige Borgsdorfer brachte die Festwiese in Stimmung und zum Lachen, während weitere Beiträge anregend zwischen satirisch und nachdenklich changierten. Sogar ein spontaner Beitrag einer jungen Slamerin fand Raum im Programm.
Klassik mit Werken von Mendelssohn Bartholdy, Schumann und Tschaikowsky
Gänsehautmomente bestimmten das Debüt der Camerata Oberhavel, einem Projektorchester unter der Leitung von Kreismusikschulleiter Manfred Schmidt. Illustrierend ließ der Dirigent seine Musiker jeweils aufstehen: Wer ist professioneller Musiker? Wer Musikschüler? Wer Lehrer? Nicht wenige standen mehrmals auf. Auch bei der Frage, wer schon einmal sein Instrument vergessen habe, erhoben sich immerhin vier der Mitglieder des 20-köpfigen Streicherensembles - erzählt wurde die Geschichte aus aktuellem Anlass: Bratschist Stefan Fehlandt hatte in Stuttgart in der Bahn seine Bratsche liegen lassen und nach Flugumbuchungen und allerlei Aufregung schließlich dann immerhin noch 20 Minuten der Probe miterleben können. Wer es nicht wusste, den verblüfften die Musiker mit dem Geständnis, nur zwei Mal miteinander geprobt zu haben. Die aufgeführten Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy (Sinfonia I in C-Dur), Robert Schumann (Violoncellokonzert a-Moll, op. 129) und Peter Iljitsch Tschaikowsky (Serenade für Streichorchester C-Dur, op. 48) brachten beim Premierenkonzert einen Hauch von Waldbühne nach Hohen Neuendorf.
Neue Oberhavel-Reihe: Musik an besonderen Orten
Musik an besonderen Orten soll eine musikalische Reihe in Oberhavel werden. Der Staffelstab wandert von Kommune zu Kommune, um auch in diesem Sinne die Brücken zu den Nachbarn im Landkreis zu verbreitern. Da auch dies eine neue Reihe ist, übergab der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Hohen Neuendorf, Alexander Tönnies, den Staffelstab, den er erst bei der Eröffnung von Landrat Ludger Weskamp übernommen hatte, "sehr ungern schon wieder weiter" an den stellvertretenden Bürgermeister von Oranienburg Frank Oltersdorf. Zudem entrollte er ein Strandlaken mit dem aufgestickten Motiv des Musik Open Air am Turm und überreicht dies: "Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir das Weiterreichen der Musik vom "Wasser vom Turm" an "Wasser im T.U.R.M." sichtbar machen können..." Frank Oltersdorf griff auch diesen symbolischen Staffelstab auf und lud die Besucher zum nächsten Konzert der Reihe im November im Wellenbad der Turm-Erlebniscity ein. Dann gibt es US-Jazz von "Spirit of life" mit Unterstützung von Kreismusikschülern.
Band-Contest
Der Samstag gehörte tagsüber dem Wettbewerb „beste Nachwuchsband Oberhavel“. Aus zehn Bands, die sich aus dem gesamten Kreisgebiet Oberhavel beworben hatten, zeigten im Finale noch fünf Ihr Können in unterschiedlichen Genres. Schließlich setzte sich die Mühlenbecker Band Melotorium extended mit einem Queenmedley gegen ein insgesamt starkes Bewerberfeld sowohl bei der Jury als auch im Zuschauervoting vor Ort durch. Zu gewinnen gab es eine Studio-Aufnahme, einen Auftritt im Oranienwerk, ein professionelles Band-Coaching und Gutscheine eines Musikhauses. Die Band Lost, hervorgegangen aus der Schülerband des Louise Henriette Gymnasiums in Oranienburg, gab ihr Bühnendebüt. Dagegen ist die Band der Oranienburger Musikwerkstatt Eden "Zufrüh," schon eine bühnenerfahrene Gruppe mit Affinität zu härteren Tönen. Der ebenfalls Louise-Henriette-Schüler half of a rainbow alias Johannes Harder überzeugte mit selbstgeschriebnen Songs. Und auch die Akustikband der Kreismusikschule Oberhavel rührte durch bewegende Interpretation melodiöser Stücke . Das Bewerberfeld lag auch in der Endabstimmung noch eng beieinander. Landrat Ludger Weskamp zeigte sich bei der Preisübergabe berechtigt beeindruckt von der musikalischen Nachwuchs-Qualität seines Landkreises.
Auch nachmittags in der eigentlichen Umbaupause kamen Besucher, die miterleben konnten, wie eine Profi-Bühne für ein Konzert mit Instrumenten, mit Ton und Licht eingerichtet wird. War das jetzt schon ein Konzert? Nein, doch der Soundcheck überzeugte durchaus den einen oder anderen Halbentschlossenen zum Bleiben.
Annette Wizisla Trio
Und das Bleiben lohnte sich. Am Samstag läutete das Annette Wizisla-Trio den musikalischen Abend ein. "Songs aus aller Welt" hieß das Programm der Jazzpianistin und Sängerin Annette Wizisla aus Berlin, die mit ihrer Band aus Percussions und Kontrabass Jazz- und Latin-Adaptionen von Klassikern aller Genres anbot, die direkt ins Blut gingen.
Finanziert durch Ehrenamt und Spenden
Möglich wurde das Festival, weil das professionelle Bühnen- und Veranstaltungsmanagement in den Händen von Jörg Schildbach mit seiner ansässigen Firma Lichtblick Bühnentechnik lag. Mit viel Herzblut und Professionalität möchte er den Kulturstandort Hohen Neuendorf nach vorn bringen. Ihn unterstützte das ehrenamtliche Team des Hyperion-Vereins für Jugendkultur in Bühnenbau, technischer Regie und Getränkeverkauf. Nicht selten wurde der junge Mann an der Coctail-Bar gefragt, wie lange er das schon mache und die Fragenden hörten verblüfft, dass Paul Aurin eigentlich Mathelehrer ist, gleichfalls Spaß an hochkarätigen Veranstaltungen in seiner Heimatstadt hat und dafür auch viele junge Menschen ehrenamtlich begeistern kann. Unter der Anleitung seines Vereinskollegen Finn Haag hatten die Jugendlichen u.a. auch Sitzmöbel aus Paletten gebaut und Schaumstoffsitze mit Hussen genäht, falls jemand seinen Klappstuhl vergessen hätte. Die Stadt flankierte die Veranstaltung zudem finanziell und organisatorisch, damit das Festival bei freiem Eintritt stattfinden konnte. Doch die Kosten einer solchen Veranstaltung belaufen sich trotzdem auf über 30.000 Euro. Künstlergagen, Bühnenbau sowie hochwertige Licht- und Tontechnik mit den sie bedienenden Profis müssen ebenso wie Stände und ein Toilettenwagen gemietet werden. Daher hatten die Macher auf eine rege Spendenbereitschaft der Besucher gehofft, auch wenn der Grundgedanke der war, dass insbesondere der Geldbeutel nicht darüber entscheiden sollte, ob jemand an Kultur teilhaben kann. Lediglich die Freude an Musik und dem Zusammenkommen mit Menschen aus der Nachbarschaft sollte im Vordergrund stehen. Die Hoffnungen der Organisatoren, die Veranstaltung aus Gastro-Einnahmen und Spenden tragen zu können, haben sich nicht erfüllt. Im Durchschnitt vier Euro spendeten die Besucher und erlebten dafür Kunst und Klang in einem Gegenwert von rund 70 Euro an diesem Wochenende.
Großer Wunsch nach einer zweiten Auflage
Bei den Hohen Neuendorfern ist allerdings der Bedarf geweckt: Sie wünschen sich auf jeden Fall eine nächste Auflage des Festivals. Auch erste Unternehmen haben sich bei der Stadt gemeldet, die mit Manpower oder Sponsoring die Veranstaltung zur Tradition werden lassen möchten. So sind die Erfinderinnen und Erfinder des Festivals weiterhin motiviert, es vielleicht doch noch ein zweites Mal zu versuchen...