Hohen Neuendorf verurteilt intolerante Ausgrenzung

Partnerstadt Janow Podlaski in Polen erklärt sich nicht zur LGBT-freien-Zone | Missverständliche Darstellung im rbb|24-Beitrag von Steven Meyer

(11. Juni 2020)  Bereits rund ein Drittel der Landkreise, Städte und Gemeinden in Polen haben sich entweder als "LGBT-freie Zone" erklärt oder eine sog. Familienrechts-Charta unterzeichnet, in der die Familie vor allen gleichgeschlechtlichen Lebensformen und Partnerschaften bevorzugt anerkannt und Homosexualität verurteilt wird. Obwohl dies nicht rechtlich bindend ist, ist damit u.a. verbunden, dass in Schulen homosexuelle oder trans-Lebensweisen nicht mehr erwähnt werden dürfen. LGBT steht als  Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender). Gleichzeitig steigen in Polen Diskriminierung und Gewalt gegen queere Lebensweisen. Der Schwulen- und Lesbenverband Deutschlands hatte daher die deutschen Kommunen, die eine polnische Partnerschaft unterhalten, aufgefordert, mit diesen Partnern das klarstellende Gespräch zu suchen und im schlimmsten Fall die Partnerschaft stillzulegen oder zu beenden. Der Landkreis Oberhavel unterhält eine Partnerschaft mit zwei polnischen Landkreisen, in denen auch die Hohen Neuendorfer Partnerstadt Janow Podlaski liegt. Nach seinen Recherchen hat sich zwar die Wojwodschaft Lublin (vergleichbar mit den deutschen Bundesländern), in der alle genannten Kommunen verortet sind, zur "LGBT-freien Zone" erklärt. Nicht so unsere Partner-Landkreise und -Städte.

Jüngst griff rbb|24 dieses Thema auf und befragte auch die Stadt Hohen Neuendorf dazu. Die Darstellung ist allerdings verzerrend und gibt die Haltung der Stadt dazu nicht wieder. Bürgermeister Steffen Apelt sowie die überwältigende Mehrheit der Stadtverordneten verurteilen die Deklaration solcher Zonen und die damit verbundenen Einschränkungen, Diskriminierungen oder gar Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender-Personen. Die Grundrechte der Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte, des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, und des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind auch gleichzeitig die Grundregeln der internationalen Völkerverständigung und unabdingbar.

Gleichwohl gilt unter Freunden doch auch zunächst der Grundsatz des offenen, vorurteilsfreien Dialoges. Coronabedingt hat sich bisher keine Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs mit den Freunden aus Janow Podlaski ergeben, wie sie zu dem Thema stehen und welche Gedanken, Planungen oder Beschlüsse ggf. dort bewegt oder vorbereitet werden. Das steht daher noch an. Nach jetziger Planung gibt es im Oktober ein Partnerschaftstreffen anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Partnerschaft. Aus Sicht der Stadt Hohen Neuendorf gehört das Thema unbedingt auf die Gesprächsagenda des Treffens; das wurde auch in der Einladung so formuliert. Die Stadt Hohen Neuendorf steht dabei allerdings auch auf dem Standpunkt, das ein konfrontatives Vorgehen in unpersönlichen Kommunikationsformen wie Brief oder E-Mail der Wichtigkeit und Dringlichkeit des Themas nicht angemessen wäre.

Der Sinn von Städtepartnerschaften ist, dass sich Menschen persönlich begegnen, in ihrem gegenseitigen Erleben Vorurteile abbauen und im Idealfall Freundschaften entstehen. Der Aufbau der Städtepartnerschaft wurde jetzt seit 25 Jahren bewegt. Austausche und Freundschaften sind in Jugendgruppen, bei den Senioren, in der Feuerwehr und auf Verwaltungsebene entstanden und gewachsen. Die Entscheidung eines Landkreises bildet nicht die persönliche Haltung jedes in diesem Landkreis lebenden Menschen ab. Eine pauschale Verurteilung, die Deklaration von Schritten durch die Presse oder gar Sanktionsandrohungen ohne vorheriges Gespräch – im Idealfall persönlich -  hält die Stadtverwaltung daher für nicht zielführend. Wie in persönlichen gilt auch in Städtefreundschaften, zunächst im Dialog miteinander zu klären, wo man steht, was zu Meinungen führt und natürlich auch im Diskurs verschiedene Haltungen zu konfrontieren und argumentativ zu überzeugen. Ist es richtig den Kontakt sofort und ohne Dialog zu beenden, oder eher zu versuchen gegebenenfalls einen Einstellungswandel, mindestens aber ein Nachdenken einzuleiten? Ein pauschaler Abbruch der Beziehungen per Deklaration würde den Sinn einer Städtepartnerschaft konterkarieren.

Weitreichende Schritte, wie im schlimmsten Fall das Stilllegen der Partnerschaft, kann möglicherweise am Ende, jedoch nicht am Anfang der Erörterung stehen.  "Wir halten davor einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs gerade angesichts des Erstarkens nationalistischer und rechtskonservativer Strömungen im eigenen Land für wichtig", betont Bürgermeister Steffen Apelt. "Anlässlich des Tages gegen Homophobie und der damit verbunden Flaggenhissung in Hohen Neuendorf wurde deutlich, dass wir in Deutschland selbst auch Diskussions- und vor allem Entwicklungsbedarf haben, dem wir uns stellen sollten."