Ein Leben für die Bücher

(27. Dezember 2019)  "Nach 38 Jahren als Leiterin der Bibliothek in Hohen Neuendorf gehe ich nun in den Ruhestand. Ich werde die Zeit in der Bibliothek und in der Verwaltung in guter Erinnerung behalten. Es war mein Traumberuf!  Ich blicke dankbar und glücklich auf diese 38 Jahre zurück", verabschiedet sich Hohen Neuendorfs langjährige Bibliotheksleiterin Dorothea Nemitz von ihren Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung. Nie habe sie sich etwas anderes vorstellen können und, obwohl sie aus einem Haushalt mit "handfesten Berufen" stammte, schon als Schülerin begeistert eine Bibliothek mit aufbaute. Nach dem Studium in Leipzig verschlug es sie zunächst auf die Insel Poel bevor sie der Liebe wegen nach Brandenburg kam und zunächst in der Oranienburger Kreisbibliothek eine Leitungsstelle fand. Nach dem Babyjahr hatte sie Glück und konnte im April 1981 in die Blbliothek an ihren neuen Heimatort wechseln. Deren Aufbau gestaltete sie maßgeblich mit. Vier Umzüge erlebte sie mit - "und jedes Mal war es eine Verbesserung", lacht sie rückblickend; mit der Zeit kamen die Stadtteilbibliotheken dazu, die ihre Verortung an den Schulen fanden. Auch das Team wuchs auf sechs Mitarbeiterinnen.

"Sie werden den Bibliotheken fehlen!" 

Eine Lieblingsanekdote gibt es zwar nicht, aber viele schöne Erinnerungen. Die meisten ihrer 2.150 Leser kennt Dorothea Nemitz mit Namen, kennt ihre Interessen und Vorlieben und es trifft sie schon, wenn so mancher nicht auf ihre kompetente Leseberatung verzichten möchte. Aber irgendwann muss auch mal Zeit für die eigenen Interessen sein: öfter nach Fankreich reisen und endlich mal französisch in der Volkshochschule lernen, möchte die agile Frankophile künftige Rentnerin. Auch lockt die Mitarbeit in der AG Bergerac der Städtepartnerschaft mit Frankreich, vielleicht auch Polen, mal sehen. Endlich mehr Zeit für die Enkel in Hameln und die 96-jährige Mutter soll bleiben, aber trotzdem möchte Dorothea Nemitz ihre ehrenamtlichen Lesungen für die Senioren im Club und gelegentlich im Seniorenheim nicht aufgeben. Und natürlich war bisher im Berufsleben viel zu wenig Zeit zum Lesen... "Die Bibliothek wird Ihnen fehlen", griff der stellvertretende Bürgermeister Alexander Tönnies im Grußwort zur Verabschiedung einen Satz der Scheidenden auf, "Sie werden den Bibliotheken fehlen! Sie haben es auf die Titelseiten der lokalen Zeitungen geschafft - das ist nicht selbstverständlich und zeigt Ihre und die kulturelle Bedeutung unserer Bibliotheken."

Seit 1981 von der Bücherstube zum Medienort

Von der reinen Bücherstube wurde die Bibliothek mit den Jahren zunächst zum Veranstaltungsort und Treffpunkt mit Kindern, Lesepaten und Literaturinteressierten. 1981 versammelten sich 1.511 Nutzer bei wöchentlichen 18 Stunden Ausleihzeiten in zwei Bibliotheken und vier ehrenamtlichen Ausleihstellen in Kita, Betrieb und Feierabendheim. Von da mauserte sie sich zum einem Ort an dem verschiedenste Medien bereitgehalten, aus anderen Stadteilen über Nacht bestellt und schließlich sogar online heruntergeladen werden können. Das jüngste Baby ist der Streamingdienst "filmfriend". Auf stolze 2.513 Leser, einen Bestand von rund 55.000 Medien und eine Gesamtbesucherzahl von 109.238 Besuchern brachten es die Bibliotheken 2017. 

Zukunft der Bibliothek als "drittem Ort"

"Als Maria Fentz geboren wurde, war Dorothea Nemitz bereits acht Jahre Bibliothekarin und von der Stellenausschreibung erfuhr Frau Fentz auf Twitter", skizzierte Alexander Tönnies im Rahmen der Verabschiedung den Wandel der Zeit und der Medien. Maria Fentz studierte in Potsdam Bibliotheksmanagement und an der Humboldt-Universität in Berlin Bibliotheks- und Informationswissenschaft - ein neues Fach, das unter anderem den digitalen Anforderungen Rechnung trägt. Die 30-jährige Bernauerin möchte die Bibliothek zu einem sogenannten "3. Ort" entwickeln, dem Ort der für die Menschen nach ihrem Zuhause und der Arbeitsstätte der wichtigste für Dialog, Lernen, Kultur und Wohlfühlen werden soll. Das wird ein wichtiger Bestandteil des neuen Bibliothekskonzeptes sein, das die neue Leiterin mit ihrem Team und einigen Profis im Hintergrund erarbeiten und in der Stadt diskutieren lassen will. Denn der Austausch mit den freundlichen Nutzern der Bibliotheken und das rege Leben und Lesen in den Schulbibliotheken haben sie auf Anhieb begeistert. "Das kannte ich aus Berlin so nicht", freut sie sich, am richtigen Ort angekommen zu sein.

Mitte: das Bibliotheksteam verabschiedet ihre Chefin | unten: Bibliotheksgeschichte humorvoll und professionell dargeboten