Demografie

Interkommunaler Demografie-Workshop | Ausgangslage und Szenario

Wir werden weniger, älter und bunter. So lautet die Faustformel des demografischen Wandels in Deutschland, die Ellen Ehring und Kerstin Schmidt von der Bertelsmann-Stiftung in einem 3-tägigen Workshop in der Lehnitzer TÜV-Akademie den anwesenden Multiplikatoren aus Politik, Gesellschaft, Medien und Verwaltung aus Hohen Neuendorf und Birkenwerder präsentierten. Was in der Zeitung als Thema inzwischen aufgrund von Banalität schon zum Überblättern reizt, ist lokal ein Aufreger: "Ich hätte nie gedacht, dass es bei uns auch so ist, Bauwillige reißen uns doch die Grundstücke immer noch förmlich aus der Hand", hörte man beinahe ehrfürchtige Stimmen im Workshopplenum. Kurz gesagt: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

Foto: Frank Liebke

Finanzielle Auswirkung

Da wären zunächst die Finanzen zu betrachten. Bis zum Jahr 2019 sinken die Zuweisungen des Landes, die immerhin die Hälfte der kommunalen Einnahmen ausmachen, um 20 Prozent. In der anderen finanziellen Lebensader der Stadt entwickelt sich Arteriosklerose: Die Bevölkerung wird älter, geht in Rente, zahlt weniger Steuern, nutzt weiterhin die Infrastruktur, aber es ziehen weniger junge Erwerbstätige nach.

Die Gesamtzahl der Deutschen sinkt und sie ziehen weniger gern um, sagt die Statistik. Bis zum Jahr 2030 rechnet das Landesamt für Statistik mit einem Bevölkerungszuwachs von 7 Prozent für Hohen Neuendorf und Birkenwerder. Das klingt im Vergleich zu anderen Kommunen wahrlich positiv. Mit dem gleichwie technisch als auch harmlos klingenden Fachbegriff "Bildungswanderung" entwarfen die in der Prozessbegleitung bundes- und brandenburgweit erfahrenen Moderatorinnen jedoch den schlimmst anzunehmenden Fall, der bei uns heute schon Realität ist: Die jungen, meist gut ausgebildeten Menschen zwischen 15 und 25 segeln zum Studieren eines Faches und des Lebens in die Welt hinaus und sie kommen sehr wahrscheinlich nicht wieder, wenn es uns nicht zuvor gelungen ist, ihnen ein Gefühl von "hier gehöre ich hin" zu vermitteln, was man heute mit "Identität" übersetzt. Diese Bevölkerungsgruppe macht heute die größte Gruppe der Wegzüge aus. Sie bewohnen hier später keine Häuser. Sie bekommen keine Kinder, die in unsere Kitas und Schulen gehen. Sie sind keine Steuerzahler. Sie kaufen nicht hier ein und beschäftigen keinen lokalen Handwerker, die ohnehin überschaubaren Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen sinken. Weniger genutzte Infrastruktur, klamme kommunale Finanzen, Leerstand - dies wäre der Eintritt in eine Negativspirale.

 

Gemeinsam aktiv werden

So weit wollen es Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft aber gar nicht erst kommen lassen. Birkenwerder und Hohen Neuendorf haben gemeinsam das Boot bestiegen, auf strategisch festgelegten Routen, die Klippen umschiffend auf dem Strom der unausweichlichen Veränderung elegant ans Ziel zu Segeln, anstatt kommunal an Riffen wie überalterung, Fachkräftemangel und Finanzierungslücken planlos zu zerschellen. Die strategische Grundlinie, die die TeilnehmerInnen herausarbeiteten, lautet: Die Kommunen sollen jährlich bis zu 1 Prozent bis zu einer maximalen gemeinsamen Bevölkerungsstärke von rund 40.000 Einwohnern wachsen, was immerhin einem jährlichen Zuwachs von 250 bis 300 Personen entspricht, unter dem Strich wohlgemerkt, denn es zieht jährlich auch etwa die gleiche Anzahl Personen weg.

Es soll keine Neuausweisung von Baugebieten geben. Baulücken sollen gefüllt und die sichtbare Lebensqualität sowie die Aufenthaltsqualität auf Straßen, Plätzen und in Grünanlagen erhöht werden. Wachstum bedeutet also gleichwohl qualitatives wie moderat quantitatives Wachstum. Den Bedürfnissen der älter werdenden Bevölkerung ist durch zentral gelegenes, kleinteiliges Mietwohnungsangebot, eine gute Infrastruktur, ein gutes Pflegeangebot und generationenübergreifende Lebens– und Freizeitmodelle Rechnung zu tragen. Dazu entwickelten die Teilnehmer teilweise bereits konkrete Vorstellungen. Diese "Handlungsfelder" bearbeiten Bürger, Politiker und Verwaltungen gemeinsam in öffentlichen Arbeitsgemeinschaften, in denen nicht nur jeder mitarbeiten kann, sondern die Mitwirkung ausdrücklich gewünscht ist!