Stell dir vor es ist Bürgerhaushalt…

(14.04.2016)  "Sie brauchen gar nicht zählen, bestimmt sind es über 1.000 Stimmen. Wir haben gewonnen!“, war der Jubel der Kampfsportler der Ving Tsun Kampfkunstschule vor der Stadthalle bereits am Abend unmittelbar nach der Abstimmung groß. Auch wenn es nicht ganz 1.000 waren – immerhin hatten sich lange Schlangen vor den Abstimmungstafeln gebildet, damit alle Interessierten ihre diesmal fünf gelben Klebepunkte bei dem Vorschlag platzieren konnten, die Sanitäranlagen im ehemaligen Arbeitslehrezentrum zu sanieren. Dort trainieren die vor allem jugendlichen Sportler im zur Kampfsportschule ausgebauten Dachgeschoss neben Selbstverteidigung Haltung, Konzentration und Respekt. Schöne Räume, die allerdings in dem unsanierten DDR-Altbau verbesserungsfähige Rahmenbedingungen haben, u.a. die ebenfalls unsanierten Sanitäranlagen. "Wenn es das Budget der Stadt nicht hergibt, dann bewerben wir uns eben um das Bürgerbudget", so der pfiffige Gedanke, der offenbar zog und Vereinsmitglieder und Freunde mobilisierte, immerhin stolze 806 Punkte zu kleben – von insgesamt mehr als 3.100 abgegebenen Stimmen in diesem Jahr. Mit Blick auf 620 Hohen NeuendorferInnen, die in die Stadthalle strömten, bezeichnete Bürgermeister Steffen Apelt den Bürgerhaushalt am Abend als Erfolgsgeschichte und bedankte sich für das Engagement und die Kreativität der Bürgerschaft. Im dritten Jahr hatte sich die Zahl der eingereichten Vorschläge ebenso nahezu verdoppelt wie die Anzahl der Abstimmenden am Mittwoch.

Die beliebtesten Projekte

Von den insgesamt 208 zur Abstimmung stehenden Vorschlägen setzte sich auf dem zweiten Platz mit 283 Punkten der Wunsch nach einem zweiten Fußballtor für den Schulhof der Grundschule Borgsdorf durch. Platz drei erreichte mit 188 Stimmen eine elektronische Anzeigetafel für den Rudolf-Harbig-Sportplatz für den Punktestand bei Schul- und Sportwettkämpfen. Dass die Renaturierung der Rotpfuhle der Bürgerschaft ein Anliegen ist, zeigt das Abstimmungsergebnis mit 139 Zählern. Ohne ein sachkundiges Entwicklungs- und Pflegekonzept und die Zustimmung der übergeordneten Umweltbehörden ist die Umsetzung jedoch nicht möglich, so die Einschätzung des Fachamtes. Immerhin könnte dieses Sachverständigengutachten im Wert von rund 35.000 Euro aus dem Bürgerhaushalt bezahlt werden. Die eigentliche Maßnahme würde weit über 100.000 Euro kosten und müsste von den Stadtverordneten für den regulären Haushalt vorgesehen werden. Ein neues Netz für die das Fußball-Kleinfeld in der Niederheide wünschten sich 132 Stimmen. 110 Stimmen erhielt der Vorschlag, für die im September erwarteten Flüchtlinge einen "Kulturbeutel" mit Stadtplan, Unterrichtsmaterialien zum Deutschlernen sowie Schreib- und Malutensilien bereit zu stellen.

Auf den nächsten Plätzen folgen ein Bolzplatz für Borgsdorf, eine Technikausstattung für Open-Air-Kino für Jugendliche, eine Flussbadestelle, ein Radweg von Pinnow zum Bernsteinsee, eine Skate- und BMX-Anlage, kostenlose Laubentsorgung, ein Mehrgenerationentreffpunkt, ein öffentlicher Bücherschrank für Bergfelde, Blühinseln statt Rasenflächen und ein Bürgergarten. "Wir werden die  gesamte Liste in den nächsten Tagen aufarbeiten und im Netz veröffentlichen", verspricht Dorothea Heuer-Kretzschmann, die in der Stadt für den Bürgerhaushalt verantwortlich ist.

Über die Umsetzung der Projekte entscheidet im Juni die SVV

Welche Projekte nun schließlich umgesetzt werden, bestimmen im Juni die Gremien der Stadtverordnetenversammlung. Dabei spielen neben den Abstimmungsergebnissen aus der Bürgerschaft auch rechtliche Rahmenbedingungen der Umsetzbarkeit oder die Kostengrößenordnung eine Rolle, wie bei der Renaturierung der Rotpfuhle, dem Bau eines Radweges entlang der Landesstraße von Pinnow nach Velten, für den das Land Brandenburg zuständig wäre, oder die kostenlose Laubentsorgung die rund eine Viertelmillion Euro kosten würde. Um die "Übermacht der Vereine" in den Abstimmungsergebnissen zu relativieren, werden zusätzlich entsprechend der Vorschlagsbereiche, wie z.B. Kinder & Jugend, Straßen & Verkehr, Umwelt, Kultur, Senioren usw., jeweils die Punktsieger in den Kategorien ermittelt und erhalten somit eine zusätzliche Gewichtung neben der reinen Stimmenanzahl.

"Somit bleibt es weiter spannend", resümiert Steffen Apelt, "welche und wie viele Projekte es schließlich in die Umsetzung schaffen". Von den Projekten der letzten Jahre waren aus 2014 nahezu alle umgesetzt worden. Lediglich zwei scheiterten an entsprechenden Bewerbungen oder rechtlichen Fragestellungen. Aus dem Bürgerhaushalt 2015 sind ebenfalls nur noch wenige Maßnahmen offen, die zumeist bei jetzt stabiler Wetterlage zügig abgeschlossen werden können. Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre kündigte Steffen Apelt an, erneut in der Stadtverordnetenversammlung für die Umstellung auf ein zweijähriges Verfahren werben zu wollen, da sowohl kommunalrechtlich als auch praktisch in der Umsetzung das einjährige Verfahren schwierig ist.

Hohen Neuendorf ist in Oberhavel Vorreiter für den Bürgerhaushalt. Glienicke will nun nachziehen und auch in Velten und Oranienburg wird über einen Bürgerhaushalt diskutiert.