Intern. Frauentag: Viel erreicht und viel zu tun

In der Corona-Krise entsteht ein neues Bewusstsein über die gesellschaftliche Rollenverteilung

 

(8. März 2021)  Traditionell gibt es in unserer Region Blumen, meist Rosen, und einen Glückwunsch zum Internationalen Frauentag. Diese friedliche, wertschätzende Geste zur Anerkennung der Leistungen von Frauen hat wenig mit dem ursprünglichen Charakter des Internationalen Frauentages zu tun. Ursprünglich war der Frauentag eine politische Bewegung, um das Frauenwahlrecht zu erstreiten. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hohen Neuendorf, Ramona Lopitz, resümiert das Erreichte: „Mit Elterngeld, einer Quote für Frauen in Führungspositionen und dem Rückkehrrecht auf die vorherige Arbeitszeit hat sich hierzulande zuletzt vieles für die Situation der Frauen verbessert. Auch das Rollenverständnis hat sich geöffnet, sodass Frauen besser ihren eigenen Interessen nachgehen können anstatt sich auf fest vorgeschriebenen Pfaden bewegen zu müssen. Dennoch nehme ich wahr, dass es viele weitere Hürden in der Gesellschaft gibt, die verhindern, dass Mädchen und Frauen ihre Talente und Möglichkeiten voll ausschöpfen können. Als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hohen Neuendorf sehe ich es als meine Aufgabe, diesen Hürden entgegen zu wirken. Allen Mädchen und Frauen wünsche ich heute einen besonders schönen Tag!“

In diesem Jahr ist der Frauentag angesichts von Corona und den aufkommenden Forderungen nach #equalpay (gleiche Bezahlung), #equalcare (gleichen Anteil von Männern und Frauen in der häuslichen Sorgearbeit) und #equalpower (die Hälfte der Macht) wieder ein politischer Tag geworden. Die Brandenburgische Frauenwoche befasst sich unter dem Obertitel "Superheldinnen am Limit" mit der aktuellen Belastungssituation von Frauen durch die Corona-Krise. Einerseits ist der Anteil von Frauen in den sog. Systemrelevanten Berufen sehr hoch. Andererseits sind es meist die Frauen, die sich um das Homeschooling der Kinder und die Pflege der Eltern kümmern - gleichzeitig fallen Unterstützungen wie Kinderbetreuung, Freizeitgestaltung der Kinder oder Mittagessen in der Einrichtung weg - dies alles muss frau dann neben ihrer eigenen Arbeit im Homeoffice leisten. Natürlich muss sie dabei noch zugewandt, ruhig und ausgleichend in der Familie wirken, denn die anderen sind ja Corona-bedingt sehr angespannt... Und dann ist sie ja auch noch Ehefrau und Geliebte. Die Fallzahlen häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder sind in der Pandemie signifikant gestiegen.

Auf vielen Ebenen in Politik und Gesellschaft wird daher aktuell diskutiert, welche konkrete Hilfe und Entlastung es für Frauen und Familien geben kann. Frauen fordern aber auch immer lauter einen gleichwertigen Platz in den Vorstandsetagen und Parlamenten ein, denn sie sind ebenso gut ausgebildet wie Männer, ihr Anteil in Führungspositionen und im Deutschen Bundestag liegt aber rund um 30 Prozent - und das seit rund 10 Jahren stabil. Der Einkommensunterschied beträgt knapp 20 Prozent, damit ist Deutschland in Europa Schlusslicht was geschlechtergerechte Bezahlung angeht.

Zahlreiche Veranstaltungen in Brandenburg widmen sich somit in diesem Jahr der Frage, wie eine Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland gelingen kann. Das Komplettprogramm der 31. Brandenburgischen Frauenwoche des Frauenpolitischen Rates e.V. haben wir hier verlinkt.  

Ein Blick in die Geschichte

Der internationale Frauentag entstand in Amerika als Bewegung der Emanzipation der Arbeiterinnen. Es ging um Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Erstmals fand der Frauentag am 19. März 1911 statt und ab 1921 in jedem Jahr. Zu Ehren der Rolle der Frauen in der Revolution wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau auf Vorschlag der bulgarischen Delegation der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt. In Deutschland war es die Sozialistin Clara Zetkin, die zeitweilig in Birkenwerder lebte, die mit der Einführung des Frauentages für Wahlrecht und bessere Bedingungen für Frauen des Proletariats stritt und sich durchsetzte. Die deutsche Sozialdemokratie schloss sich dem Anliegen an. 

Als sozialistischer Tag war er zwischen 1933 und 1945 durch die Nationalsozialisten verboten. Statt dessen wurde der Muttertag zum Feiertag erhoben, der dem nationalsozialistischen Bilder der Frau und Mutter eher entsprach. "Das Feiern des 8. März wurde zu einem Erkennungsmerkmal von Widerstand und sozialistischer Untergrundarbeit. Methoden waren das ‚Auslüften‘ von roten Gegenständen am 8. März aus Fenstern oder an Wäscheleinen oder das Auslegen illegaler Flugblätter." (Wikipedia) Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte in Ostdeutschland der Frauentag eine Renaissance, wandelte sich aber zu einem festlichen, fröhlichen, weniger ideologischen Tag und näherte sich damit im Charakter dem in Westdeutschland weiterhin bevorzugt begangenen Muttertag an. Wurde er nach der Wiedervereinigung einige Jahre kaum noch gefeiert, erlebt der Internationale Frauentag in den letzten Jahren durch aktive Frauenrechtsorganisationen vermehrt eine Repolitisierung.