"Familie Brasch": Mikrokosmos der DDR

(13.01.2019)  In der Hand ein Glas Wasser, Wein oder Bier kamen die ersten Gäste schon eine halbe Stunde vor Beginn der Vorführung in den Ratssaal, um sich die besten Plätze zu sichern. Schnell füllte sich der Raum mit erwartungsvollem Publikum, das sich so vertraut hier bewegte, als gäbe es diesen Veranstaltungsort schon seit vielen Jahren.

„Sie werden nicht nur hier, sondern auch in der Schweiz gern gelesen“, begrüßte Ariane Fäscher, Fachbereichsleiterin Marketing in der Stadtverwaltung, Marion Brasch. „Ach, echt?“, antwortete diese mit fröhlichem Staunen und berichtete, warum sie den Roman „Ab jetzt ist Ruhe“ geschrieben hat, der die Grundlage zum Dokumentarfilm von Annekatrin Hendel bildet.

Familienkrieg hinterließ Spuren auf kultureller Ebene

Die bekannte Radiomoderatorin und Autorin ist das letzte Kind von vier Geschwistern einer Familie, die DDR-Geschichte schrieb und von ihr geprägt wurde. Vater Host Brasch war in einem kanadischen Internierungslager für "enemy alien" an der Gründung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) beteiligt, kehrte 1946 in die sowjetische Besatzungszone zurück und war zeitweilig stellvertretender Minister für Kultur der DDR.

Als Parteifunktionär der ersten Stunde konnte er es nicht ertragen, dass seine künstlerisch begabten und politisch engagierten Söhne eine andere Auffassung vom Sozialismus vertraten als er. Es kam zum Familienkrieg, der im kulturellen Leben Ost-, und ab 1976 auch Westberlins Spuren hinterließ. Die Familie zerbrach und spiegelte noch im Untergang die Widersprüche der Zeit.

Der Dokumentarfilm berührte die meisten im Publikum. „Es haut einen innerlich um, ich hab‘ so vieles nicht gewusst“, sagte Julia Tham aus Hohen Neuendorf, und Vater Alfred ergänzte: „Meine ganze Geschichte kommt wieder hoch.“ Im anschließenden Gespräch ziehen die Zuschauer Parallelen zum eigenen politischen oder familiären Erleben. Und es wird mit Applaus aufgenommen, als Marion Brasch sagt: „Ich habe nicht das künstlerische Sendungsbewusstsein meiner Brüder und will niemanden überzeugen. Es gibt nicht die eine Wahrheit über die Geschichte der DDR, es gibt mindestens 17 Millionen. Und wenn ich mit diesem Abend zum Nachdenken anregen konnte, dann macht mich das glücklich.“ (Foto/Text: Daria Doer)