"Eine tragische Geschichte von vielen"

80 Jahre Reichspogromnacht

(09.11.2018)  In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 griffen Angehörige von SS und SA jüdische Geschäfte, Wohnungen, Schulen, Gebetshäuser und Mitmenschen im ganzen Deutschen Reich an. Sie zerstörten jüdische Einrichtungen, legten Feuer, plünderten, verletzten, folterten und töteten.

Anlässlich des 80. Jahrestags dieser Reichspogromnacht luden der Geschichtskreis und die AG Brot und Salz vom Kulturkreis dazu ein, die sieben Stolpersteine im Stadtgebiet zu putzen, die an die Schicksale von sieben Hohen Neuendorfer Juden erinnern.

Der Auftakt fand am Stolperstein von Dr. Curt Eckstein in der Fasanenallee in Borgsdorf statt. Petra Schmidt vom Geschichtskreis erzählte den Anwesenden die wenigen bekannten Informationen über den jüdischen Rechtsanwalt, der mit einer deutschen Christin verheiratet war. Die Spezialgesetzgebung der Nazis traf auch ihn. So musste er sein Vermögen abgeben, das Haus wurde aberkannt, als Konsulent durfte er nur noch Juden anwaltlich beraten. 1942 verschwand der spurlos. Nachforschungen ergaben, dass er zunächst in das Arbeitslager Großbeeren, dann ins Männerlager Ravensbrück und schließlich nach Ausschwitz verschleppt wurde, wo er 1944 „zugrunde ging“. „Eine tragische Geschichte von vielen“, resümierte Petra Schmidt.

Doch sie wusste noch mehr zu berichten. „Insgesamt gibt es vier jüdische Familien aus Borgsdorf, die uns bekannt sind“, neben den Ecksteins noch die Familien Heitz, Ludwig und Lazarus mit jeweils zwei Kindern. Von Hans-Joachim Ludwig sind Erinnerungen überliefert, wie dieser als damals Achtjähriger die Ereignisse am 9.11.1938 erlebte. Die Eltern waren zu Besuch bei den Großeltern in Oranienburg, als eine „Horde SA-Leute“ auftauchte, die die Eltern bei ihrer Rückkehr im Hausflur abpasste. Sie folgten dem Paar in die Wohnung, schlitzten die Betten im Schlafzimmer auf, jagten die Familie aus dem Haus und vernagelten die Haustür anschließend mit Balken. Da die Familie wenig später nach Oranienburg zog, erinnert dort ein Stolperstein an ihr Schicksal.

Während Petra Schmidt den Anwesenden von den Schicksalen der Borgsdorfer Juden erzählte, hatte ihr Kollege Dr. Dietrich Raetzer den Stolperstein geputzt und poliert. Anschließend ging es weiter nach Hohen Neuendorf, wo die Stolpersteine für Hermann, Ernestine und Georg Jacks sowie für Emma, Elfriede und Dr. Hugo Rosenthal zum Glänzen gebracht wurden.