Aus dem Scheiterhaufen in die Geschichtsbücher

Lesung zum 84. Jahrestag der Bücherverbrennung am 10.5.2017

(11.05.2017)  „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Mit diesem Zitat von Heinrich Heine begrüßte Hohen Neuendorfs Erster Beigeordneter Alexander Tönnies am Mittwochabend rund ein Dutzend Besucher zur „Lesung aus verbrannten Büchern“ im Rathaus.

Die Lesung war gleichzeitig ein Gedenken an all jene Autoren, deren Werke ab 1933 von den Nazis auf schwarze Listen gesetzt, aus Bibliotheken entfernt und in mehreren Aktionen öffentlich verbrannt wurden, unter anderem am 10.05.1933 in Berlin und anderen deutschen Städten. „Besonders erschreckend: es waren Studenten, Dozenten und Professoren, die sich so barbarisch äußerten, nicht einmal 100 Tage nach der Machtergreifung durch die Nazis“, verdeutlichte Tönnies. „Heute sehen wir: das Dumme, das Böse hat nicht gesiegt. Viele der Autoren, die damals für immer aus den Geschichtsbüchern verschwinden sollten, sind heute fester Bestandteil schulischer Lehrpläne.“ Der stellvertretende Bürgermeister dankte den Vorlesern für ihre Unterstützung der Veranstaltung.

Sechs Vorleser erinnern an "verbotene Autoren"

Von denen hatten sich sechs angemeldet. Den Auftakt machte die Leiterin der Stadtbibliothek, Dorothea Nemitz, mit einem Kapitel aus „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. In diesem Antikriegsroman beschreibt ein junger Soldat seine schrecklichen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg.
Es folgten die Gedichte „Mein blaues Klavier“, „Heimweh“ und „Frühling“ der deutsch-jüdischen Dichterin Else Lasker-Schüler. Ausdrucksvoll vorgetragen wurden sie von Nadja Felscher, die Mitglied in der AG Schreibmut vom Kulturkreis ist.
Sehr ausführlich erläuterte Schreibmut-Mitglied Kathrin Hoehne Hintergrund und historische Einordnung des Jugendromans „Ede und Unku“, welches die Autorin Grete Weiskopf unter dem Pseudonym „Alex Wedding“ nach einer wahren Geschichte verfasst hatte. Das Buch beschreibt, wie sich das Berliner Arbeiterkind Ede zur Zeit der Weimarer Republik mit dem Zigeunermädchen Unku anfreundet.
Dr. Dietrich Raetzer vom Geschichtskreis im Kulturkreis las das erste Kapitel aus „Deutschland. Ein Wintermärchen“ des oben zitierten Heinrich Heine. Heine war, unzufrieden mit den damaligen politischen Verhältnissen in Deutschland, 1831 nach Frankreich ausgewandert. Sein Gedichtepos, in dem er das reaktionäre, franzosenfeindliche Deutschland satirisch-sarkastisch aufs Korn nimmt, wurde in Preußen schon 1844 verboten.
Auch Erich Kästner fand seinen Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ und einige kritische Gedichte auf der schwarzen Liste der Nazis wieder. Auf dem Platz vor der Staatsoper Berlin wohnte er der Bücherverbrennung 1933 als anonymer Zuschauer bei. Er wählte die innere Immigration und schrieb viele seiner Werke fortan unter Pseudonym. Zur Lesung im Rathaus lasen die „Schreibmutigen“ Ingrid Gabriel-Abraham aus „Sachliche Romanze“ und Wilfried Hildebrandt das erste Kapitel aus „Fabian“.

Lesung auch zum 85. Jahrestag im nächsten Jahr

So verschieden die Autoren und ihre Werke waren, auf Grund der kritischen, politischen oder weltanschaulichen Sicht ihrer Bücher oder wegen der politischen Einstellung oder religiösen Abstammung der Autoren selbst wurden sie zum Angriffsziel der Nazis im Kampf gegen einen vermeintlichen „undeutschen Geist“.

Um sie zu würdigen, wird es auch im nächsten Jahr, anlässlich des 85. Jahrestags der Bücherverbrennung, eine Lesung aus verbrannten Büchern in Hohen Neuendorf geben.