Fontanes Blick auf die Frauen

(16.09.2019)  Nachdem sich zuerst nur wenige an Fontanes Frauen interessiert zeigten, war der freundliche Beratungsraum im Rathaus am Freitag, dem 13. September dann doch nahezu überfüllt. Der stellvertretende Bürgermeister Alexander Tönnies freute sich: „Das Konzept des neuen Rathauses funktioniert. Es ist nicht nur tagsüber für die Bürger geöffnet, sondern auch abends zu besonderen Gelegenheiten.“

Fast 40 Gäste entführte Christine von Brühl an diesem Abend mit ihrem Buch „Gerade darum sind sie mir lieb, Theodor Fontanes Frauen“ in die Welt des 19. Jahrhunderts.

Das Verhältnis von Theodor Fontane zu Frauen seiner Familie und Umgebung war ungewöhnlich. Er war weder ein Frauenheld noch ein Kämpfer für Frauenrechte, aber er nahm sie als Persönlichkeiten wahr, die an den Sitten der Zeit oft unglücklich wurden, kämpften oder zerbrachen. Dabei entstanden eindrucksvolle Porträts, die den Leser noch heute zu bewegen vermögen.

Naturwissenschaftler mit unterschrockenem Blick auf die Gesellschaft

Christine von Brühl erklärte das mit Fontanes Charakter: „Er war ein Plauderer und hatte ein offenes und interessiertes Wesen, so dass sich die Frauen ihm öffneten und freier von sich selbst sprachen, als es sonst üblich war.“ Gleichzeitig hätte Theodor Fontane durch seine Ausbildung zum Apotheker den „unerschrockenen und analytischen Blick eines Naturwissenschaftlers“ auf Leute und Gesellschaft gehabt.

Die Zuhörer folgten dem Vortrag mit großer Aufmerksamkeit. Vor allem die Lebensgeschichte der Elisabeth von Ardenne, deren Geschichte der Anlass zum Roman Effi Briest war, rief Erstaunen und Nachfragen hervor. Durch Schullektüre und Filme geprägt konnten sich manche kaum vorstellen, dass die wirkliche Effi beinahe 100 Jahre alt geworden ist und am Ende ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern und Enkeln hatte.

Für Dorothea Nemitz, die Leiterin der Stadtbibliothek, war dies die erste Veranstaltung, zu der sie ins neue Rathaus einlud - für alle eine gelungene Premiere. (Text/Foto: Doer)