Robert Habeck (B90/Grüne)besucht Hohen Neuendorf
Der Bundesvorsitzende der Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, besuchte im Rahmen einer Brandenburg-Tour die Stadt Hohen Neuendorf und informierte sich bei Bürgermeister Steffen Apelt über die kommunalen Klimaschutzaktivitäten.
(6. Juni 2019) "Ökologische Politik ist hier weit gediehen - und was noch nicht umgesetzt ist, ist auf dem Radar", zeigte sich der Bundesvorsitzende der Bündnisgrünen im Bundestag, Robert Habeck, vor Ort in Hohen Neuendorf angetan von den Anstrengungen der Stadt Hohen Neuendorf, ehrgeizige Klimaziele zu erreichen. In einem knapp 45-minütigen Gespräch in der Stadtverwaltung, zu dem er selbstverständlich mit der S-Bahn angereist war, ließ er sich von Bürgermeister Steffen Apelt und der Klimaschutzbeauftragten Heiderose Ernst durch den Querschnitt der städtischen Klimapolitik führen, erfuhr aber auch von dem aus Sicht der Kommune notwendigen Nachholbedarf im Bezug auf gesetzliche Regelungen und Förderinstrumente auf Bundesebene.
"Man muss als Gesellschaft den Mut haben loszulaufen"
Trotz aller erreichten Erfolge im Klimaschutz apostrophierte der Grünenchef, dass linearer Fortschritt bei den Klimaschutzergebnissen nicht ausreichend sei, um die Klimaerwärmung im notwendigen Maß zu begrenzen. Allerdings ermöglichten technische Innovationen auch "Schübe", dringend notwendiges exponentielles Wachstum, in der Wirksamkeit von Maßnahmen. Der Staat, und so auch die Kommune, müsse bei der Errichtung von Infrastruktur zielorientiert in Vorleistung gehen, ist Robert Habeck überzeugt. Die kritische Masse im Bewusstseinswandel und entsprechendes Handeln werde sich in kurzen Zeitfenstern vollziehen. "Man muss als Gesellschaft den Mut haben loszulaufen, dann entsteht Wandel", beschreibt es der frühere Schriftsteller in seinem Buch "Wer wagt, beginnt". So sei es eine Frage der Zeit, bis sich immer mehr Menschen für ein E-Auto entscheiden und dann aber eine funktionierende Ladeinfrastruktur vorfinden müssten. Auch hier attestierte er der Stadt vorausschauendes Handeln. Allerdings müsse auch der Gesetzgeber nachbessern, mit nicht jeder, der dem Nachbarn eine Stromladung an seiner Säule ermögliche, rechtlich zur Tankstelle würde. Bürgermeister Steffen Apelt nahm den Bundespolitiker hier in die Pflicht: "Unsere kommunalen Anstrengungen können aber nicht ausreichen. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Bund die Industrie an vielen Stellen durch klare Regeln und die Verpflichtung auf andere Technologien justiert. Es kann nicht sein, dass Kreuzfahrtschiffe mit Schweröl fahren und Flugkerosin steuerbegünstigt ist. Freiwilligkeit dauert hier zu lange!"
Wärmeerzeugung und Verkehr sind wichtige Stellschrauben zum Erreichen der Klimaziele
Wärmeerzeugung bis hin zu Geothermie, um das Rathaus zu beheizen, energetische Baustandards, E-Mobilität, Öffentlicher Nahverkehr vor allem auf der "letzten Meile", LED-Straßenbeleuchtung - der Grünenchef interessierte sich neben dem Erreichten vor allem auch für die Bedürfnisse der Kommune, die in der Metropolenrandlage nicht mehr als städtisch gilt, aber vor allem in der Förderkulisse vielfach durchrutscht, weil sie eben auch nicht den Eckdaten von "ländlichem Raum" entspricht. Hohen Neuendorf hat diese Erfahrung in den letzten Jahrzehnten häufig gemacht und die Infrastruktur letztlich fast vollständig mit kommunalen Mitteln errichtet. Die Unübersichtlichkeit von Förderprogrammen, die hohen Anforderungen und fehlende personelle Ressourcen bei den Fördergebern und -nehmern machten Förderanträge oft unattraktiv oder im Zeiterfordernis des Projektablaufs unmöglich, erläuterte die Klimaschutzbeauftragte. "Überkandidelt" nannte es Robert Habeck, wenn bei Förderanträgen die Ernennungsurkunde des Bürgermeisters vorzulegen sei. Bei Neubaugebieten plädiert der Grünenchef grundsätzlich für Auflagen zugunsten regenerativer Energien zur Wärmeerzeugung. Im Bestand setzt er aber auf Aufklärung.
Von den Nachbarländern lernen: Besonders im Nahverkehr ist Potential
In Deutschland liegt der Anteil regenerativer Energien aktuell bei 13 bis 14 % in Skandinavien bei 65 % mit der Zielstellung in 20 Jahren 85 % erreicht zu haben. Die ambitionierten Hohen Neuendorfer Klimaziele von 1.1% Senkung des CO2-Ausstosses pro Jahr können nur mit Hilfe der privaten Verbraucher erreicht werden, denn 96% des CO2-Ausstosses werden in Hohen Neuendorf durch privates Wohnen und individuellen Verkehr erzeugt. Gerade im gut organisierten ÖPNV sieht Robert Habeck eine Chance, sowohl das Wohnungsproblem der Stadt als auch die Infrastrukturprobleme der ländlichen Räume als Win-Win-Ergebnis zu befördern. Hier nahm der Grünenchef die Erkenntnis mit, dass die Kommunen mehr Unterstützung von Bund und Land brauchen.