Spektakulärer archäologischer Fund in Pinnow

Archäologe Stefan Muhr präsentiert stolz die Ausgrabung - die Sekunden später in seinen Händen zerfällt. Erst die andere Urne kann gesichert werden.

(27.10.2016)  Zuletzt war es im Jahr 2001, dass bei Ausgrabungen Urnen gefunden wurden. "Dieser Fund ist insofern selten und schon eine kleine Sensation", strahlt Torsten Dressler, Chef des Glienicker Archäologiebüros ABD-Dressler am Mittwochmittag auf der Borgsdorfer Baustelle an der Hauptstraße. Seine Kollegen und er haben im Zuge von Erschließungsarbeiten für Baugrundstücke zwei mit Knochenstücken und Leichenbrand gefüllte Keramikurnen freigelegt. Zuvor hatten sie bereits in der Nähe eine Grabschüttung mit Leichenbrand gefunden - also vergrabene, eingeäscherte Menschen ohne Urne. Eine Seltenheit, gerade in unmittelbarer Nähe zur Havel, wo Überschwemmungen und Bodenabtrag häufig Urnen wegspülten, die üblicherweise rund einen halben Meter tief vergraben wurden. "Anhand von Keramikbeschaffenheit, Bemalung und idealerweise Grabbeigaben wie Gefäße, Essen oder im allergünstigsten Fall sogar mal ein Stück Metall wie eine Fibel, können wir die Epoche des Fundes schnell bestimmen", erläutert der Archäologe.

Fund aus der Bronze- und vorrömischen Eisenzeit

Schnell ist also ermittelt, dass es sich um einen Fund aus der Bronze- und vorrömischen Eisenzeit handeln muss, mehr als 2.000 Jahre alt. Das passt zur Kenntnis der Forscher, dass unter dem heutigen Pinnow sowohl ein mittelalterlicher Dorfkern liegt als auch in der Wiesenstraße Teile eine vorrömischen Siedlung gefunden wurden. Dass jetzt in etwa 500 bis 700 Metern Luftlinie eine Grabanlage gefunden wird, bestätigt das bereits vorhandene Wissen. Zufall allerdings war der Fund nicht. Die Genehmigung für die Erschließungsarbeiten wurde durch die Behörden nur mit der Auflage erteilt, die Grabungen archäologisch begleiten zu lassen. Der Wermutstropfen für die Forscher besteht allerdings darin, dass sie nur in den Bereichen graben dürfen, in denen der Boden ohnehin im Rahmen der Baustelle geöffnet wird - ein Baustopp ist nicht zu befürchten. Allerdings freuen sich die Archäologen in Pinnow nun auf weitere Baumaßnahmen, die ihnen dann ermöglichen, weitere Teile der Fläche zu untersuchen. "So finden wir immer mehr Puzzleteile, die uns dann irgendwann die Borgsdorfer und Pinnower Siedlungsgeschichte erzählen", skizziert Torsten Dressler und lädt die Anwesenden dazu ein, über die Keramik zu streichen und die Weichheit der Oberfläche zu fühlen. 

Knochen geben Aufschluss über Bestattungsart

Anhand der Knochenfunde werden die Forscher im Labor Geschlecht, Alter und die ungefähre Körpergröße der eingeäscherten und beerdigten Menschen bestimmen können. Dass es sich um Leichenbrand handelt, erklärt Dresslers Mitarbeiter Stefan Muhr, erkenne man an der Knochenfarbe und der Ausdehnung des Fundes: Ist die blaulich-grau, haben die Knochen gebrannt, sind auch relativ stabil und auf begrenzter Fläche zu finden; ist die Farbe bräunlich, handelt es sich zumeist um eine Erdbestattung, dann sind die Knochen auch auf einer größeren Fläche verteilt. Anhand eines Tierknochens zeigt er, dass der 2.000 Jahre alte Knochen dann auch leicht zerbricht. Schließlich wird der Fundort nach Wünsdorf gemeldet und in einem zentralen Register für Brandenburg erfasst, damit für künftige Bauarbeiten bekannt ist, dass es hier mögliche weitere Relikte geben könnte und nicht versehentlich wertvolles Material zerstört wird.

Bauarbeiten müssen weitergehen

Während die Archäologen zielorientiert, aber vorsichtig ihre Grabungen vornehmen, wird der Tiefbauer Maik Mikus von der bauausführenden Firma Tharo aus Eberswalde langsam ungeduldig: "Zeit ist Geld und Geld haben wir nicht", illustriert er, dass die Bauarbeiten auf der Baustelle weitergehen müssen, um Wasser, Abwasser und Gasversorgung für die künftigen Einfamilienhäuser auf dem Areal in den Boden zu bringen. Was des einen Freud, ist eben häufig auch des anderen Leid.