"Wohnen im Zentrum" - Vorurteile im Faktencheck
(22.06.2017) Die in der Stadt, in Foren und sozialen Medien emotional geführte Diskussion über die Voruntersuchung zur möglichen Entwicklung des Zentrums von Hohen Neuendorf zeigt vor allem eines: Erklärungsbedarf. „Das stilisierte Schreckgespenst vom innerstädtischen Hochhaus-Ghetto existiert ebenso wenig wie die idealromantische ‚grüne Oase für alle‘ im städtischen Kernbereich. Wir haben ganz nüchtern die Aufgabe, Wohnraum zu schaffen für junge Menschen, die zuhause ausziehen, aber in Hohen Neuendorf bleiben möchten. Für Ältere, denen Haus und Garten zu groß werden und für Menschen, deren Lebenssituation sich beispielsweise durch eine Scheidung oder geänderte Einkommensverhältnisse ändert“, erläutert Bürgermeister Steffen Apelt zur Versachlichung der Diskussion.
Ihm geht es vor allem darum, dass sich Hohen Neuendorf nicht zum Luxusstandort entwickelt, den sich Normalverdiener nicht mehr leisten können. „Die Immobilienpreise entspannen sich nur, wenn es ein angemessenes Angebot gibt“, vertritt Apelt die Position, dass moderate Wohnraumentwicklung dringend geboten ist.
Missverständnisse und Vorurteile im Faktencheck
An dieser Stelle sollen auf die meist genannten Argumente gegen die Entwicklungsmaßnahme näher eingegangen werden:
Der Charakter der Stadt ändert sich, weil Hochhäuser in die Stadtmitte gebaut werden sollen…
Durch die Entwicklungsmaßnahme möchte die Stadtverwaltung dem genau entgegen wirken, denn 55 Prozent der Grundstücke sind in Privatbesitz. Durch die Entwicklungsmaßnahme kann die Stadt enge Vorgaben machen, so dass höchstens viergeschossig gebaut werden darf und das auch nur aus Lärmschutzgründen am Rand. Wer bezahlbaren Wohnraum möchte, muss auch eine verdichtetere Bebauung zulassen.
Der öffentliche Grünanteil sinkt - man kann nicht mehr (mit dem Hund) auf dem Feld und im Wald spazieren gehen…
Diese Flächen sind Privatbesitz und könnten jederzeit eingezäunt, bebaut oder gerodet werden. Die Stadt möchte genau diesen Grünzug vom Wasserturm bis nach Birkenwerder für die öffentliche Nutzung und Naherholung langfristig sichern. Die Landwirte sind über die Trampelpfade auf ihren Äckern inzwischen sehr verärgert.
Es ziehen Berliner hierher, die sich Berlin nicht mehr leisten können, es sieht bald aus wie in Berlin und es wird ein sozialer Brennpunkt - aber genau deswegen bin ich damals aus Berlin weg gezogen…
Es ist kein sozialer Wohnungsbau vorgesehen. Sozial verträglich und bezahlbar heißt, dass vorrangig Hohen Neuendorfer mit normalem Einkommen sich in ihrer Stadt auch weiterhin eine Wohnung leisten können sollen.
Die Luft wird schlechter, weil die Abluftschneisen für Berlin zugebaut werden...
Die Grünverbünde werden im Gegenteil langfristig gesichert, um Luftzirkulation zu gewährleisten. Umweltgutachten sind im Zuge einer Entwicklungsmaßnahme zwingend zu erstellen und zu berücksichtigen.
Die Allgemeinheit muss für zusätzliche Kitas, Schulen und Sportanlagen bezahlen…
Im Gegenteil: Bei der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme in Borgsdorf wurden alle Einrichtungen, die Straßen und Parkflächen durch die privaten Bauherren bezahlt. Borgsdorf bekam zudem einen Sportplatz und eine Sporthalle, die ohne die Maßnahme nicht oder viel später hätten realisiert werden können. Neben Kita, Sportanlagen und einem schönen Spielplatz hat Bürgermeister Apelt ein Ziel aufgestellt. Er wünscht sich im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme ein angemessenes Bürger- und Kulturhaus für die Stadt.
3.000 Menschen sind 2.500 zusätzliche Autos - es gibt schon jetzt zu wenig Parkplätze…
Verkehrslösungen, die auch den Pendlerverkehr nach Berlin berücksichtigen, sind eine der größten Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft und beschäftigen das Land, die Landkreise und alle Kommunen des Speckgürtels. Anders als bei einer
ungesteuerten Entwicklung, bei der jeder Investor nur seine Immobilie und möglicherweise seinen wirtschaftlichen Vorteil im Auge hat, werden allerdings im Zuge einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auch die Verkehrsströme berechnet und Lösungen gleich mit erarbeitet. Die Stadt wird darüber hinaus in den nächsten Jahren ohnehin zusätzlichen Parkraum an den Bahnhöfen schaffen müssen.
3.000 Menschen sind zu viel. Die sollten wenn, dann auf das gesamte Stadtgebiet verteilt werden...
Die Entwicklungsmaßnahme ist auf einen Zeitraum von 20 Jahren ausgelegt. Wenn man also diese 3.000 neuen Einwohner auf 20 Jahre verteilt, ergibt das einen jährlichen Zuzug von 150 Menschen pro Jahr. Gerade in den zentralen Lagen, am Bahnhof Bergfelde und im Zentrum Hohen Neuendorfs ist leicht verdichtetes Wohnen verträglich, ohne den Charakter der Stadt als Einfamilienhausstandort zu beeinträchtigen. Hätten die Alt-Hohen Neuendorfer von 1990 bis 2015 darauf beharrt, dass sich die Stadt nicht verändern dürfe, würde rund die Hälfte der Hohen Neuendorfer heute noch in Berlin wohnen.
Prosperität ist ohne Bereitschaft der moderaten Anpassung und Entwicklung nicht möglich. Was es braucht, ist Augenmaß. Dafür führen Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung einen offenen, öffentlichen und frühzeitigen Diskurs mit allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern.