Unternehmer zu Vergaberecht informiert

(26.04.2017)  Einen Einblick in die komplizierte Materie des Vergaberechtes gab Rainer Gütschow-Buczynska, Leiter der Vergabestelle der Hohen Neuendorfer Stadtverwaltung, im Rahmen des ersten "Stadtgespräches" am 25. April in der Stadthalle. Rund ein Dutzend interessierter, lokaler Gewerbetreibender nutzte die Gelegenheit, Fragen zum Thema an den Fachmann zu stellen und nahm so manchen hilfreichen Hinweis mit auf den Weg.

Das Vergaberecht regelt, was bei der Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Verwaltung an Unternehmen aus der Privatwirtschaft zu beachten ist. Ziel ist es, öffentliche Aufträge transparent und diskriminierungsfrei zu vergeben und wirtschaftlich mit Steuermitteln umzugehen.

Grundlagen des Vergaberechts

Hierbei unterscheidet man vor allem zwischen Vergaben für Bauleistungen (VOB) sowie für (Dienst-)Leistungen (VOL, künftig: UVgO). Abhängig vom finanziellen Volumen eines Auftrags muss entweder EU-weit ausgeschrieben werden (Oberschwellenbereich) oder es kann national ausgeschrieben werden (Unterschwellenbereich). Für Bauaufträge liegt die Wertgrenze, ab der europaweit ausgeschrieben werden muss, bei 5,225 Mio. Euro. Bei Aufträgen im Dienstleistungsbereich bei 209.000 Euro.

Wiederum abhängig von den Wertgrenzen kommen verschiedene Arten der Ausschreibung in Frage: so unterscheidet man bei nationalen Ausschreibungen zwischen öffentlicher Ausschreibung, beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe (künftig: "Verhandlungsvergabe"). Bis eine Million Euro können Bauaufträge beschränkt ausgeschrieben werden, bei Aufträgen nach VOL liegt die Wertgrenze, bis zu der freihändig vergeben werden darf, bei 100.000 Euro.

Vergabeverfahren

Die öffentliche Ausschreibung erfolgt über die öffentlich zugänglichen Vergabeplattformen wie den Vergabemarktplatz Brandenburg, manche Kommunen veröffentlichen ihre Ausschreibungen auch zusätzlich auf ihrer Internetseite.

Bei der beschränkten Ausschreibung und der freihändigen Vergabe werden geeignete Bewerber ermittelt und mindestens drei zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Unternehmen können sich auch bei der Auftragsberatungsstelle Brandenburg in eine Bieterliste eintragen lassen, auf die öffentliche Auftraggeber bei Bedarf zugreifen, um geeignete Firmen für bestimmte Ausschreibungen gezielt anzuschreiben.
 
Die freihändige Vergabe unterscheidet sich von der beschränkten Ausschreibung, neben der Wertgrenze, darin, dass u.a. auch über den Preis nachverhandelt werden kann.

Aufteilung von Aufträgen in Lose

Damit sich auch mittelständische Unternehmen an großen Projekten beteiligen können, müssen umfangreiche Aufträge weiterhin in sogenannte "Lose" unterteilt werden. So werden beim Straßenbau zum Beispiel einzelne Abschnitte ausgeschrieben oder beim Bau eines Gebäudes die verschiedenen Gewerke. Das Vergabeverfahren richtet sich dennoch nach dem Wertumfang des gesamten Projektes.

Entscheidung für ein Angebot

Im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens wird in der Vergabebekanntmachung und in den Vergabeunterlagen festgelegt, welches Kriterium für den Zuschlag maßgebend ist. Im überwiegenden Fall ist der Preis ausschlaggebend. Nur in wenigen und speziellen Bereichen (z.B. im Dienstleistungssektor) können andere Bewertungskriterien den Ausschlag geben, um den Auftrag zu erhalten. Auf zu niedrige oder zu hohe Angebote darf der öffentliche Auftraggeber keinen Zuschlag erteilen. Die Grenze hat die derzeitige Rechtsprechung bei ca. 20 Prozent unter bzw. über der zuvor erarbeiteten Kostenschätzung angesetzt. Ausnahmen kann es hiervon unter Umständen geben. Dazu ist aber eine ausführliche Aufklärung mit den Bietern Voraussetzung und die Abweichungen sind in beiderseitigem Interesse zu belegen.

Formale Ausschlussgründe

Angebote, die verspätet eingegangen sind, die nicht unterschrieben sind, bei denen Anmerkungen in den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden oder bei denen der Bieter die eigene AGB mitschickt, werden nicht berücksichtigt. Auch wenn ein Unternehmen Steuern, Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt hat, wird sein Angebot nicht berücksichtigt. Fakultative Ausschlussgründe können nach der neuen Gesetzgebung z.B. nachweisliche Verstöße gegen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen, wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Unternehmen sein – oder, wenn ein Unternehmen versucht hat, die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, vertrauliche Informationen zu dem bevorstehenden Auftrag zu erhalten oder fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt. Mittlerweile können auch nachgewiesene Schlechtleistungen bei früheren Aufträgen (auch bei anderen öffentlichen Auftraggebern) zu einem Angebotsausschluss führen.

Weitere wichtige Hinweise finden Interessierte auf der Internetseite der Stadt Hohen Neuendorf unter dem Punkt "Vergaben". Bei Fragen können sich Interessierte unter der Telefonnummer (03303) 528-175 bzw. -225 jederzeit direkt an die Vergabestelle des Rathauses wenden.

Nächstes Stadtgespräch im Herbst

Die Veranstaltungsreihe "Stadtgespräche", die von der Stadt organisiert wird, ging aus dem Wirtschaftsfrühstück für Unternehmer hervor. Ziel ist es, mit bestimmten Zielgruppen der Stadt ins Gespräch zu verschiedenen Themen zu kommen. Das nächste Stadtgespräch findet voraussichtlich im September statt.