Stadtgespräch Sicherheit: "Chillen ja,nerven nein"

(16.02.2019)  Zu einem Stadtgespräch zum Thema Sicherheit lud Bürgermeister Steffen Apelt am 15. Februar in den Ratssaal ein. Dabei ging es insbesondere um die Vorfälle der letzten Monate rund um den S-Bahnhof Hohen Neuendorf und um Ideen zur Verbesserung der Situation.

Nachdem Steffen Apelt die Besucher begrüßt und das hochkarätig besetzte Podium vorgestellt hatte, führte Stefan Boye, Leiter des Polizeireviers Hennigsdorf, anhand der Vorfälle der letzten Monate in die Thematik ein, auch „um mit dem einen oder anderen Gerücht aufzuräumen“. So gab es am 1. Dezember ein „erstes Zusammentreffen einer Jugendgruppe aus dem Berliner Bereich mit einheimischen Jugendlichen am Bahnhof“, bei dem es zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen war. Bereits damals reagierte die Polizei mit Gesprächen und Anzeigen. Es folgten regelmäßige Bestreifungen des Gebiets, teilweise zusammen mit den Mitarbeitern des städtischen Ordnungsamts, insbesondere zum Zwecke der Jugendschutzkontrollen.

„Getreu dem Motto ‚Wehret den Anfängen‘ gehen wir schon weit im Vorfeld von Straftaten auf die Jugendlichen zu, konfiszieren Zigaretten und Alkohol bei Minderjährigen und führen sie hin und wieder auch ihren Elternhäusern zu“, beschrieb Boye die polizeilichen Maßnahmen. Am 12./13. Januar kam es erneut zu einem größeren Vorfall, diesmal ausgelöst durch circa 30 bis 40 Jugendliche aus Berlin, die mehrere Raubstraftaten rund um die S-Bahnhöfe Hohen Neuendorf und Oranienburg begingen. „Hier ging es ein Stück weit um jugendliches Machtgehabe, aber auch Beziehungstaten“, erläuterte der Revierleiter. „Von dem was wir mitbekommen haben, möchten diese Jugendlichen aber nicht mehr hierher kommen, weil es hier zuviel Polizei und Kontrollen gibt.“

Weitere Maßnahmen von Seiten der Stadt

Nach dieser Einleitung ging es direkt in die Fragerunde, die die circa 180 Besucher ausgiebig nutzten. So erläuterten Bürgermeister Apelt und sein Erster Beigeordneter Alexander Tönnies weitere Maßnahmen, die die Stadt plane: „Wir sind derzeit in Gesprächen mit unseren Nachbargemeinden Birkenwerder, Glienicke und Mühlenbecker Land bezüglich eines gemeinsamen Außendienstes der Ordnungsämter zu Zeiten bis 22 Uhr von April bis September“, stellte Tönnies den Ansatz vor. Damit könne die Polizei zum Beispiel in Fällen von Ruhestörungen entlastet werden.

Auch soll der Jugendsozialarbeiter Andreas Witt, den der Bürgermeister am liebsten „mehrfach clonen“ würde, zukünftig Vollzeit im Außendienst tätig sein und von der Büroarbeit entlastet werden. Seit Anfang Februar wird der Bereich rund um den Fahrradabstellplatz am S-Bahnhof ausgeleuchtet, was zu ersten Verdrängungseffekten und zu einem Rückgang bei den Fahrraddiebstählen geführt habe. Mit Applaus wurde die Ankündigung des Bürgermeisters quittiert, hier zusätzlich eine Videoüberwachung zu prüfen. Jugendclub und Lücke-Treffpunkte bieten Kindern und Jugendlichen geschützte Anlaufstellen. An allen vier Grundschulen gibt es mittlerweile Schulsozialarbeiter. Und noch in diesem Jahr soll ein Jugendbeirat gegründet werden.

Jugendliche sollen öffentliche Räume nutzen

Einig waren sich alle darin, dass die Jugendlichen öffentliche Räume nutzen können und sollen. „Ich habe schon oft Dispute mit den Jugendlichen am Bahnhof bezüglich ihres Benehmens gehabt“, erzählte eine Pendlerin. „Manche waren total nett und haben die Musik leiser gestellt. Andere waren resistent, haben den Fahrstuhl versperrt und mir Rauch ins Gesicht geblasen. Das geht gar nicht. Chillen ja, nerven nein“, machte sie deutlich. Es sei nur ein kleiner Teil von Jugendlichen, die über bestimmte Grenzen hinweggehen. Dem pflichtete auch Stefan Boye bei: „98 Prozent der Jugendlichen sind respektvoll und haben Umgangsformen. Bei den meisten handelt es sich hoffentlich um Kapitel-Erscheinungen, bei denen Hopfen und Malz noch lange nicht verloren ist.“

Mehrere Ansprechpartner für Betroffene

Dass auch Kinder und Jugendliche unter den Repressalien von Gleichaltrigen leiden, zeigte der Erfahrungsbericht eines jungen Teilnehmers. Bei Kaufland seien er und seine Freunde von Älteren angepöbelt und angegriffen worden. „Man traut sich nicht mehr raus, weil man sie wiedertreffen können.“ „Mit solchen Erfahrungen könnt ihr gerne an mich herantreten“, bat Jugendsozialarbeiter Witt sich an. „Wir können zusammen und vertraulich Kontakt zum Täter aufnehmen und eine Klärung herbeiführen.“ Auch die Schiedsfrau Kerstin Engelhardt machte aus dem Publikum heraus auf ihre Funktion für den Täter-Opfer-Ausgleich aufmerksam.

Veranstaltung lieferte viele positive Signale - Format soll fortgeführt werden

Insgesamt zeigte die sehr sachliche Veranstaltung, dass die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Ordnungsamt und Streetworker funktioniert und auch die Schulen und Träger der Jugendarbeit eine hohe Sensibilität für die Problemstellung besitzen. Ein weiteres Fazit war, dass neben Eltern, Schule und Polizei jeder Einzelne in der Verantwortung steht, (s)eine Vorbildfunktion für das gesellschaftliche Zusammenleben wahrzunehmen.

Aufgrund der positiven Erfahrung mit dem Stadtgespräch, bei dem der Bürgermeister zu bestimmten Themen Stellung nimmt und Fragen beantwortet, soll das Format fortgesetzt werden. Geplant sind zwei bis drei Stadtgespräche im Jahr.