Schätze auf vergilbtem Papier
(23. Oktober 2023)
Würden die Hohen Neuendorfer Archivarinnen gefragt, was denn ihr größter Schatz wäre, bräuchte man nicht lange auf die Antwort warten. „Unsere alten Bauakten.“ Fast 6.000 Baupolizeiakten aus den Jahren 1878 bis 1945 umfasst dieser Bestand, der für Hausbesitzer, Heimatforscher und mitunter auch Fachleuten des Denkmalschutzes faszinierend ist. Es gibt nicht viele kleinere Kommunen, die auf solch eine fast lückenlose Überlieferung verweisen können.
Warum eine Bauakte so faszinierend sein kann
Die Einzelakte ist sicherlich mitunter nur für Hausbesitzer interessant, die ihr Haus möglichst authentisch erhalten oder gerne wissen möchten, wer es gebaut und bewohnt hat. Und manchmal geht beim Blättern in den alten Schriftstücken der Blick über den Gartenzaun hinaus, wie bei Andrea Resener-Fleischauer. „Das Stöbern in den alten Akten des ehemaligen Dienstwohngebäudes für den Bahnwächter hat mein schon immer vorhandenes Interesse an der Geschichte von Borgsdorf wiedererweckt. Das baugleiche Haus steht übrigens in Schwante am Bahnhof. Was für uns noch ein Zufall schien, hat die alte Bauzeichnung aufgeklärt. Das Dokument galt für das ‚Dienstwohngebäude für einen Bahnwärter auf den Haltepunkten Schwante, Dalldorf und Borgsdorf‘.“
Baupolizeiakten lassen wichtige Schlüsse zu
Aussagekräftiger für die Nachwelt sind die Bauakten als Bestand. Im Stadtarchiv gibt es große Überlieferungslücken für die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns aus der Zeit bis 1945, die sich auch kaum schließen lassen.
Von umso größerer Bedeutung ist daher die Existenz des nahezu vollständigen Bestandes an baupolizeilichen Akten, die in ihrer Gesamtheit sowohl historische als auch bevölkerungssoziologische Schlüsse zulassen. Sie ermöglichen das Rekapitulieren der Entwicklung dörflicher Gemeinden am Stadtrand von Berlin zu einer städtischen Siedlung und damit eines für das 20. Jahrhundert typischen Urbanisierungsprozesses.
Dr. Matthias Metzler vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum unterstreicht den Wert des Hohen Neuendorfer Bestandes: „Für die Arbeit der Denkmalpflege, vor allem die Erfassung und Bewertung historischer Gebäude, seien es Wohnhäuser, öffentliche Bauten oder technische Anlagen, ist das Archiv Hohen Neuendorf eine unabdingbare Voraussetzung.“
Auch Heimatforscher nutzen diese unersetzliche Ressource für das Nachvollziehen des Wachsens von drei Gemeinden aus kleinen Dörfern zu einer Stadt unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Umfeldes.
Professionelle Reinigung dank Fördermitteln
Aufgrund früherer unsachgemäßer Lagerung waren die Akten leider stark verschmutzt. Die Benutzbarkeit war dadurch stark eingeschränkt. Deshalb beschäftigte die Mitarbeiter des Stadtarchives schon länger der Gedanke, die Bauakten reinigen zu lassen.
Unterstützt von der Landesfachstelle für Archive und Öffentliche Bibliotheken Brandenburg, der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Archivgutes (KEK) und nach einem Erfahrungsaustausch mit Mitarbeitern aus anderen Archiven stellten die Kolleginnen einen Fördermittelantrag bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BMK) auf Gelder aus den Sondermitteln des Bundes für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts zum Projekt „Reinigung und teilweise Umpackung von Baupolizeiakten aus den Jahren 1878 – 1945 zwecks Sicherstellung der Benutzung und späteren Digitalisierung“. Gleichzeitig beantragte das Stadtarchiv eine anteilige Förderung für die Maßnahme im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Potsdam. Das arbeitsintensive Projekt in Höhe von 26.000 Euro wurde also aus drei „Töpfen“ finanziert: 13.000 Euro kamen dank Zuwendungsbescheid vom Bund, 3.000 Euro aus dem Landeshaushalt und 10.000 Euro investierte die Stadt Hohen Neuendorf in diesen wichtigen Bestandteil ihres „Gedächtnisses der Stadt“.
Langfristig Digitalisierung geplant
Realisiert wurden die Trockenreinigung der Deckel und hervorstehender besonders verschmutzter Blattkanten bei allen Akten sowie die Umverpackung zahlreicher nicht fadengehefteter Akten in Jurismappen. Nach Rückkehr der Akten aus der
Restaurierungswerkstatt packten die Mitarbeiterinnen sie in neue, archivgerechte Aufbewahrungskartons um. Die Archivarinnen freuen sich auf neue Benutzer dieser geschichtsträchtigen Akten, sei es durch Hausbesitzer, geschichtsinteressierte Heimatforscher oder Mitarbeiter des Denkmalschutzes. Um die Schätze noch lange erhalten zu können, ist langfristig die originalschonende Digitalisierung der Akten geplant.
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