Partner finden: Speed-Dating & Politik im Rathaus
(30.04.2019) Aufgeregt wie vor einem Date waren wohl nicht nur viele der über 50 Gymnasiasten des Marie-Curie-Gymnasiums Hohen Neuendorf, sondern auch die Kandidatinnen und Kandidaten zur Kommunalwahl 2019, die sich im Rathaus eingefunden hatten - nicht wissend, was sie genau erwartet. Selbst Polit-Profi Inka Gossmann-Reetz (SPD) bekannte als Landtagsabgeordnete augenzwinkernd: „Es ist mein erstes Speed-Dating“.
Allemal besser vorbereitet kamen die Politikschüler der elften Klassen aus den Grund- und Leistungskursen auf die 13 Kandidatinnen und Kandidaten zu, die ja nur abwarten konnten, welche Fragen die jungen Leute mitbringen würden. In kleinen Gruppen trafen diese auf die KandidatInnen. Nach zehn Minuten ertönte ein Gong, Wechsel, nächste Partei. Nach 70 Minuten läutete die Stadtverwaltung eine Chaosrunde ein: Mit wem will ich noch mal sprechen, wen habe ich noch nicht gut kennen gelernt, wem möchte ich auf den Zahn fühlen…
Trauben bildeten sich vorrangig um die Kandidatin der Tierschutzpartei, Kerstin Hammann und den AfD-Kandidaten Horst Tschaut. Das Stimmungsbild am Ende spiegelte allerdings wider, dass das Interesse durchaus zu einem durchwachsenen Zustimmungsbild und Kritik führte. Bürgermeister Steffen Apelt ist mit dem Format hoch zufrieden: „Man sieht ganz deutlich, dass diese praktische Politikerfahrung zu Interesse und einem differenzierten Meinungsbild führt. Ich finde das Format wirklich gut".
Klima, Verkehr, Wohnen und Freizeit sind die Themen
Öffentliche Verkehrsmittel, Klimawandel, bezahlbares Wohnen und Freizeitangebote für junge Leute benannten die SchülerInnen in unterschiedlichen Aspekten die für sie brennendsten Fragen, für die sie sich von der Politik Antworten wünschen. „Ich kann nur Politik für Leute machen, wenn ich deren Bedürfnisse kenne. Das war für mich eine wirklich spannende Runde, weil ich viel von den jungen Menschen und ihren Ideen erfahren habe“, findet Nicole Florczak, die für Bündnis90/Die Grünen kandidiert, im Hauptberuf aber das Lücke-Projekt in Borgsdorf leitet.
Ähnlich argumentiert Dr. Hans-Joachim Guretzki, Spitzenkandidat des Stadtvereins: „Ich finde es ein gutes Format, auch mal klar zu machen, dass die Politik auch nur so gut sein kann, wie die Menschen sich mit ihren Fragen auch einbringen“, findet er den Austausch wichtig. Unter den KandidatInnen fanden sich langjährige Kommunalpolitiker ebenso wie junge Leute, die sich gerade in den ersten Semestern ihrer Ausbildung befinden. „Genau das spiegelt es wider: Politik ist wie du und ich und geht jeden von uns etwas an“, fasste Moderatorin, Stadtsprecherin Ariane Fäscher, zusammen.
"Ich weiß jetzt, wen ich wähle!"
Die SchülerInnen wiederum nahmen aus der Runde wiederum mehr Klarheit mit. „Ich weiß jetzt viel mehr über die Inhalte der Parteien und weiß auch, wen ich wählen werde“, resümiert eine junge Frau. Einer ihrer Mitschüler fühlt sich jetzt motiviert: „Klar werde ich wählen gehen. Das hat mir hier auf jeden Fall eine Menge gebracht.“
Ihre Erfahrungen sollten die Gymnasiasten mittels Klebepunkten bei den Parteien mit der besten (grüner Punkt) und schlechtesten Bewertung (roter Punkt) in einer Matrix aus acht Fragen anbringen: Hat mir der/die Kandat/in wirklich zugehört? Habe ich mich auf Augenhöhe gefühlt? Wurden meine Fragen beantwortet? Weiß ich jetzt mehr über die Inhalte der Parteien? Und andere mehr.
Zwar ist die Matrix keineswegs repräsentativ, denn einige SchülerInnen wollten mit einer Vielzahl von grünen Punkten ihre bevorzugten Parteien und Kandidaten dann doch optisch nach vorn bringen, aber sie zeigt: Die Meinungsbildung erfolgt differenziert, nach Personen und Argumenten und die Farbverteilung hielt sich bei den etablierten Parteien unabhängig von der Erfahrung der KandidatInnen so in etwa die Waage – lediglich der AfD-Kandidat erhielt ein deutlich kritisches Feedback und auch der Tierschutzpartei gelang es bei den lokalen Themen nicht, positiv zu punkten.
Steffen Apelt: "Das wiederholen wir!"
Steffen Apelt ist von dieser praktischen Politikvermittlung überzeugt: „Das Format werden wir auch für kommende Jahrgänge und Wahlen beibehalten“, kündigte er begeistert an. Eine junge Mühlenbeckerin bestätigt ihn durch eine Nachfrage: „Wie kann ich es erreichen, dass es so was in meinem Ort auch gibt, denn ich wähle ja woanders andere Kandidaten...“