Die schönste Zeit seines Lebens

Kurt Drawert liest in seinem Kindheitsort Hohen Neuendorf

(30.11.2018)  „Es gibt viele schöne Gegenden auf der Welt und leben kann man überall, begraben werden nicht. Wenn es soweit ist, möchte ich hier in die Erde kommen.“ Diese Worte des in Hennigsdorf geborenen und bis zu seinem elften Lebensjahr in Borgsdorf und in der Niederheide aufgewachsenen Schriftstellers Kurt Drawert zeigen, wie wichtig dem derzeitigen Stadtschreiber von Dresden seine alte Heimat ist. Zu der er auch jedes Mal einen Abstecher einlege, wenn er in der Nähe sei, so Drawert.

Am 23. November weihte der Träger zahlreicher Literaturpreise den neuen Hohen Neuendorfer Rathaussaal als Veranstaltungsort mit einer Lesung ein. „Es ist die erste kulturelle Veranstaltung, die deutlich macht, dass der Saal nicht nur ein schnöder Ort von Verwaltungshandeln ist, sondern für ein Miteinander der Bürger“, begrüßte der stellvertretende Bürgermeister Alexander Tönnies die Premierengäste. Durch den Abend führte der Autor Roland Lampe, der ebenfalls aus Hohen Neuendorf stammt und der Kurt Drawert, der 2017 den Lessing-Preis des Landes Sachsen erhielt, einst beim Literaturstudium in Leipzig kennenlernte.

„Meine Zeit in Hohen Neuendorf war nicht lang, aber die schönste Zeit“, erinnerte sich der 62-jährige Drawert. Der Staat sei für ihn kein Gebilde von Heimat, er habe als Heimat immer die Sprache empfunden und die Bilder seiner Kindheit. Die Havel, weite Heiden, dichte Kiefernwälder und die kleinen Seen. „Ich habe die Landschaft so verinnerlicht, das ist die Heimat, das macht mich froh.“ Und er ließ die Zuhörer an seinen Erinnerungen teilhaben: An den Schulunterricht in der alten Kriegsbaracke in der Goethestraße, wo heute eine Kita steht, an seinem ersten Kuss im Kino am Bahnhof, in dem die Filme erst begannen, wenn zwölf Zuschauer anwesend waren. „Mir ist das so nahe.“

In seiner Lesung spannte er dann einen literarischen Bogen von seinen ersten Gedichten aus Leipziger Zeiten, als er mit dem System der DDR haderte, bis zu seinem jüngsten Werk „Der Körper meiner Zeit“ von 2016. Ein Langgedicht, das er über drei Jahre im Odenwald, wo der heutige Darmstädter eine Arbeitswohnung hat, und während Stipendiumsaufenthalten in Istanbul und in der Schweiz schrieb. „Es ist ein Epos geworden, die Summe meiner Lebenserfahrungen.“

Zum Abschluss des Abends dankte Tönnies dem Autor: „Danke, dass Sie uns auf diese gedankliche Weltreise mitgenommen und einen klitzekleinen Einblick in Ihr Werk gegeben haben. Mitgenommen in Worte und Gedanken, auch in die, die Sie noch nicht aufgeschrieben haben.“