35 Jahre Mauerfall: Szenische Lesung im Ratssaal
(11. November 2024)
Am 8. November 2024 lud die Stadt Hohen Neuendorf zur szenischen Lesung „Oktoberfrühling 1989 – Kaleidoskop einer Revolution“ in den Ratssaal ein, um den 35. Jahrestag des Mauerfalls und der Friedlichen Revolution in der DDR zu würdigen.
Die Inszenierung, die in Zusammenarbeit zwischen dem Recherche- und Kunstkollektiv Vajswerk und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur entstanden war, verarbeitete Zeitzeugenberichte und historische Dokumente, die den Aufbruch und die Vielstimmigkeit der Wendezeit zum Ausdruck brachte. Bürgermeister Steffen Apelt schilderte in seiner Begrüßung wie sehr Hohen Neuendorf Teil dieser Geschichte ist und dass sich die Einwohnerschaft, seitdem verdoppelt, nunmehr aus Ost- und Westbiographien zusammensetze.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler zogen das Publikum in das Jahr 1989 hinein. Von den ersten Aufständen in den DDR-Provinzen bis hin zur Öffnung der Grenze am 9. November und den Ereignissen, die folgten. In über 325 Städten und Gemeinden hatten mutige Menschen damals ihre Stimmen erhoben. Besonders beeindruckend war die Vielfalt der Quellen und Perspektiven: es kamen vor allem Stimmen aus kleineren Orten und Dörfern zur Sprache. In der dokumentarischen Erzählweise wurden Originalzitate, Plakate und Flugblätter, Protokolle aus Stasi-Akten u.v.m. zu einer szenischen Montage verwoben. Schauplätze waren neben dem öffentlichen Raum, die Kirchen und Theaterhäuser, aber auch Gefängnisse, Bäckerläden und Arztpraxen. Erinnerungsszenen wie die gewaltfreien Demonstrationen, die Friedensgebete und die sich bildenden „Runden Tische“ (auch in Hohen Neuendorf) schufen ein eindringliches Bild einer Gesellschaft im Wandel, der nicht ohne Widersprüche vonstattenging. Das Stück machte zudem deutlich, wie kreativ und organisiert sich die Menschen damals trotz fehlender moderner Kommunikationsmittel vernetzten, und wie das DDR-Regime in einigen Fällen mit aller Härte gegen die Demonstrationen vorging. Auch weniger bekannte Perspektiven, wie jene der DDR-Vertragsarbeiter und -arbeiterinnen, z. B. aus Mosambik und Vietnam, die unter Unsicherheit, Diskriminierung und gar Verfolgung (Rostock Lichtenhagen) litten, kamen zur Sprache.
Im Anschluss an die Lesung fand ein lebhaftes Gespräch mit dem Historiker Stefan Paul-Jacobs statt, der die historischen Dokumente für die Aufführung recherchiert hatte. Das Hohen Neuendorfer Publikum beteiligte sich mit eigenen Erinnerungen an die Zeit des Mauerfalls – beschrieben wurden Erlebnisse in S-Bahnen, Betrieben und nicht gekannte fröhliche Gesprächssituationen. Auch kritische Stimmen wurden gehört, etwa von Bürgerinnen und Bürgern aus Westdeutschland, die die anfängliche Ignoranz gegenüber der Ostdeutschen Lebensrealität reflektierten.
Der Abend bot nicht nur bewegende Erinnerungen an die Friedliche Revolution, sondern auch eine Bühne für den Austausch über Demokratie und Freiheitsrechte, die damals wie heute wertvoll und zu bewahren sind.