„Zukünftig auf die Mittel des Landes angewiesen"

(20.10.2019)  Infolge einer Volksinitiative schaffte der Landtag vor der Sommerpause die Straßenausbaubeiträge im Land Brandenburg rückwirkend zum 1.1.2019 ab. Das bisherige Gesetz sah eine finanzielle Beteiligung der Grundstückseigentümer am Ausbau der Straßen vor ihrer Haustür vor. Welche Konsequenzen die Abschaffung der Straßenbaubeiträge für die Stadt Hohen Neuendorf hat, darüber sprach NBN-Redakteurin Susanne Kübler mit Bauamtsleiter Michael Oleck.

Herr Oleck, warum und wie wurden die Grundstückseigentümer beim Ausbau kommunaler Straßen bisher beteiligt?
Die bisherige Umlage der Kosten beim Straßenausbau auf die Anlieger erfolgte nach dem landesweit geltenden Kommunalabgabengesetz (KAG). Dabei hat die Kommune den Anteil des Aufwands, der von der Allgemeinheit in Anspruch genommen wird, selbst finanziert. So wurden die Grundstückseigentümer beim Fahrbahnausbau einer Hauptverkehrsstraße zu 20 Prozent, bei einer Anliegerstraße zu 70 Prozent an den Kosten beteiligt.

Wie beurteilen Sie die Abschaffung der finanziellen Beteiligung der Anlieger an der Erneuerung der Straßen vor ihrer Haustür?
Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge schafft neue Ungerechtigkeiten. Vor allem für diejenigen Anlieger, die in der Vergangenheit finanziell am Straßenausbau beteiligt wurden. Dem gegenüber profitieren zukünftig all diejenigen, deren Grundstücke und Häuser durch die Straßensanierung an Wert gewinnen – finanziert ausschließlich vom Steuerzahler.
 
Weiterhin beitragspflichtig bleibt die erstmalige Herstellung von Straßen. Wie viele Straßen betrifft das in Hohen Neuendorf?
Die Erhebung von Beiträgen für die erstmalige Herstellung oder Erschließung einer Straße erfolgt über das Baugesetzbuch (BauGB). Diese Kosten werden weiterhin zu 90 Prozent auf die Grundstückseigentümer umgelegt. In Hohen Neuendorf gelten circa 60 der 155 Kilometer Gemeindestraßen als noch nicht erschlossen im beitragsrechtlichen Sinne. Das sind die sogenannten „Sandpisten“, aber auch die nur provisorisch befestigten Straßen.

Gibt es noch mehr Maßnahmen, die weiterhin kostenpflichtig bleiben?
Neben der Ersterschließung von Straßen bleiben auch bauliche Maßnahmen an den Grundstückszufahrten, Gehwegüberfahrten und Ähnliches weiterhin kostenpflichtig für die Eigentümer.

Was halten Sie vom „Bernauer Modell“, nach dem Straßen provisorisch ausgebaut werden, wobei die Kosten allein die Kommune trägt?
Dieses Modell, bei dem auf Schotter- oder Sandpisten eine zehn bis zwölf Zentimeter dicke Asphaltschicht aufgebracht wird, ist nicht nachhaltig. Bei der Ersterschließung einer Fahrbahn, bei der tragfähiger Unterbau hergestellt wird, kann man eine Nutzungsdauer von etwa 30 bis 40 Jahren ansetzen. Über diese Dauer ist eine zunächst teure Erschließung langfristig preiswerter und nachhaltiger als eine provisorisch angelegte Fahrbahn, die alle paar Jahre erneuert werden muss.

Welche finanziellen Auswirkungen hat die Abschaffung der Straßenbaubeiträge auf den Haushalt der Stadt Hohen Neuendorf?
Das Land hat versprochen, die fehlenden Einnahmen durch den Wegfall der Straßenbaubeiträge durch Zuschüsse an die Kommunen auszugleichen. Geregelt ist eine Pauschale in Höhe von circa 1.400 Euro pro Kilometer kommunaler Straße. Das wären für die Stadt Hohen Neuendorf rund 210.000 Euro. Angeblich stünden 80 Prozent der Kommunen dadurch besser da, als bei der Mitfinanzierung durch die Anlieger. Dies trifft auf Hohen Neuendorf leider nicht zu.

Das heißt, die Mehrkosten bleiben an der Stadt hängen?
Die Frage, ob bzw. welche zusätzliche Entlastung eine Kommune vom Land erhält, wenn die realen Kosten über dem pauschalen Zuschuss liegen, ist noch völlig offen. Ein weiteres Problem sind die Kosten im Zusammenhang mit den Nebenanlagen an Bundes- und Landesstraßen, also Geh- und Radwege. Auch diese sind im Pauschalbetrag nicht berücksichtigt.
Generell finde ich es problematisch, dass wir beim Straßenausbau zukünftig auf die Mittel des Landes angewiesen sind. Ein knapper Landeshaushalt wirkt sich damit direkt auf den Sanierungsfortschritt kommunaler Straßen aus.

Welche Straßen sollen in den nächsten Jahren in Hohen Neuendorf denn saniert werden? Denken Sie, dass die Mittel des Landes dafür ausreichen?
Welche Straßen in Hohen Neuendorf saniert oder erstmalig hergestellt werden sollen, legen die Stadtverordneten jährlich zunächst mit der Haushaltssatzung fest. Die Reihenfolge des Straßenbaus richtet sich zum Beispiel nach der Dringlichkeit der Verkehrssicherungspflicht oder etwaigen Entwässerungsproblemen in den Straßen. Ob die Landesmittel den Beitragsausfall vollständig kompensieren werden, bleibt abzuwarten.